Simulationen der Stadt: Brechts „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“
Thomas Weitin
Das Seminar unternimmt anhand ausgewählter Theorie- und Dramentexte eine Reise in Brechts China und untersucht die Funktion der fiktiven Stadt für die politisch-soziale Simulation.
China ist für Brecht die Probebühne seiner politischen Ideen und seiner Theorie des Theaters. Nicht nur sucht das Lehrtheater immer wieder chinesische Handlungsschauplätze (Die Maßnahme, Der gute Mensch von Sezuan), in seiner Auseinandersetzung mit der chinesischen Philosophie erfindet der Dramatiker Figurentypen, über die er eine theatrale Form der „Verhaltenslehren“ im modernen Großstadt-Kapitalismus entwickelt (Me-ti/Buch der Wendungen, Tui-Roman).
So wie Brecht, der kein Wort Chinesisch konnte, in Hollywood Nachdichtungen chinesischer Lyrik aus dem Englischen vornahm, ist das China seiner Theaterwelt ein stark vermitteltes, fast virtuelles. Brecht nennt sein China „Chima“. Das ist für ihn die Traumfabrik, die den Raum für die politische Fiktion der Gegenwart eröffnet. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage nach der Haltung des Einzelnen im postindividuellen Zeitalter, für die es bei Brecht immer wieder einen Fluchtpunkt gibt: die Stadt als Ort der Gesellschaft schlechthin (Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny, Lesebuch für Städtebewohner).
Brechts Verhaltenslehren
Vortrag, Thomas Weitin
Mit freundlicher Unterstützung des DAAD.