After Postcolonialism. Similarities in an Entangled World
Internationale Konferenz
Exzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“
Universität Tübingen
Fritz-Thyssen-Stiftung
Konstanz
4.–6. Oktober 2012 (Do–Sa)
Über das Thema
Der Diskurs der Kulturwissenschaften in den vergangenen Jahrzehnten ist auf vielfältige Weise eine Reaktion auf fundamentale geopolitische Verwerfungen. Die Dekolonialisierung nach dem zweiten Weltkrieg wurde von einem verspäteten Bedeutungsverlust der ideologischen und kulturellen Zentren begleitet – dies galt zunächst für Europa, doch mit fortschreitender Zeit für den Westen als Ganzes.
Die Kulturwissenschaften – vor allem die Cultural Studies – versuchten die althergebrachten Hierarchien zwischen Mitgliedern verschiedener Kulturen zu durchbrechen, indem sie die Erfahrung der interkulturellen Begegnung unter das Banner von Differenz und Alterität stellten. Jedoch findet auch die postkoloniale Betonung von Alterität ihren Einstiegspunkt in kolonialen Idiomen des Denkens. Um eine Person in ihrer Andersartigkeit zu respektieren, darauf laufen viele postkoloniale Theorieangebote hinaus, muss diese Person zuallererst alterisiert, das heißt zu einer anderen gemacht werden. In diesem Schema basieren Akzeptanz und Kommunikation auf der impliziten Vorannahme von Differenz. Differenz ist jedoch logisch an sein Antonym gebunden: Identität. Die Idee einer radikalen Differenz zwischen Kulturen ruft so stets die Idee einer homogenen Identität auf – selbst dann, wenn das Ziel des Manövers in der Überwindung einer solchen besteht.
Diese Kippbewegung zwischen Differenz und Identität ist nicht mehr brauchbar, um eine plurikulturelle Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einer globalisierten Welt angemessen zu verstehen. Basieren unsere Handlungen notwendigerweise auf einer Logik des Entweder-oder? Sind sie nicht in den meisten Fällen auf einem viel breiterem Spektrum von Handlungsoptionen und deren Überkreuzungen gegründet? Gibt es Bereiche, in denen wir im Modus eines Sowohl-als-auch denken können, eine performative Haltung einnehmen können, in der wir uns einander ähnlich machen, ähnlich werden und ähnlich sind – ohne identisch zu werden?
Wo in der Geschichte, in der Gegenwart und der Theorie finden wir solche Bewegungen der Ähnlichkeit?
Die eingeladenen Referentinnen und Diskutantinnen aus Afrika, Südamerika, den USA, Asien und Europa werden sowohl historische als auch zeitgenössische Orte und Szenarien aufsuchen, in denen sich Zwischenlagen zwischen Gleichheit und Differenz auf prägnante Weise ausformen. Die Möglichkeiten der Ähnlichkeit erscheinen hier sowohl als analytischer Ansatz, der zuvor Unsichtbares der Untersuchung zugänglich macht, aber gleichzeitig auch als Konkurrenzangebot zu Differenz und Gleichheit als handlungsleitende Vorstellungen in verschiedenen geopolitischen, nationalen und transnationalen Feldern.
In der Fortführung der Ziele des Konstanzer Workshops „Ähnlichkeiten. Valenzen eines Begriffs“ von 2011 werden die Vortragenden auch die Implikationen von Ähnlichkeit/Similarity für Theorien der Kultur und der Kulturwissenschaft ansprechen.