Universität KonstanzExzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“

Jan Jansen

Vita

Porträt Jan Jansen

1999-2005 Studium der Neueren und Neuesten Geschichte, Soziologie und Philosophie in Freiburg i.Br., Paris und Basel; Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes

Seit 2006 Promotion am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte (Prof. Dr. J. Osterhammel), Universität Konstanz, zum Thema „Erinnerungspolitiken im kolonialen Algerien“; mehrere Forschungsaufenthalte in Algerien und Frankreich; Promotionsstipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes

Forschungsschwerpunkte

Geschichte Nordafrikas und des Mittelmeerraums, v.a. Maghreb (18.-20. Jahrhundert); Kolonialismus; Politische Kultur; Erinnerungsforschung; Historiographie- und Wissenschaftsgeschichte

Ausgewählte Publikationen

Die Erfindung des Mittelmeerraums im kolonialen Kontext. Die Inszenierung eines „lateinischen Afrika“ beim „Centenaire de l’Algérie française“ 1930, in: Benjamin Schenk / Martina Winkler (Hrsg.), Der Süden. Auf der Suche nach einer Geschichtsregion, Frankfurt / New York 2007, S. 175-205.

Inszenierungen des antiken Erbes in „Französisch Algerien“ / Karthago, in: Charlotte Trümpler (Hrsg.), Das große Spiel. Archäologie und Politik zur Zeit des Kolonialismus (1860-1940), Köln 2008, S. 528-550.

Politics of Remembrance, Colonialism, and the Algerian War in France, in: Bo Stråth / Gosia Pakier (Hrsg.), A European Memory? Contested Histories and Politics of Remembrance, im Druck (Berghahn Books).

Laufendes Forschungsvorhaben

Erinnerungspolitiken im kolonialen Algerien

Das Forschungsprojekt zielt darauf, die koloniale Peripherie Europas stärker in die Erinnerungsforschung integrieren. Die „koloniale Situation“ wird vor diesem Hintergrund als eine besondere historische Bedarfssituation verstanden: Kolonien bildeten neuartige Gesellschaften, die stark auf symbolische Integration, Legitimation und Stabilisierung angewiesen waren.

Zwei Fragestellungen sind dabei leitend: Welche Mechanismen kollektiver Erinnerung entwickelte eine koloniale Siedlergemeinschaft in ihrem Erfahrungskontext, um sich nach innen zu integrieren, sich in der Fremde „einzuwurzeln“, die Kolonialherrschaft zu legitimieren und ihr Verhältnis zum Mutterland auszudrücken? Inwiefern wurden öffentliche Erinnerungspolitiken zu einem Feld auf dem – durch Aneignungsprozesse auf Seiten der „indigenen“ Bevölkerungsmehrheit – die Hierarchien und das Verhältnis zwischen den verschiedenen Bestandteilen der Kolonialgesellschaft immer wieder neu verhandelt wurden?

Die Algérie française (1830-1962) ist hier ein besonders interessanter Fall: Es bildete das Prestigeobjekt der ambitionierten Assimilationspolitik und galt ab 1871 endgültig als integraler Bestandteil des Mutterlands. Zudem entwickelte sich hier ein komplexes Neben- und Gegeneinander historischer Aneignungsprozesse: Das europäische Siedlerregime entwickelte eine Siedlerkultur, die um eine spezifisch europäisch-algerische Identität kreiste und stark auf Vergangenheitsbezügen gründete. Die algerische Nationalbewegung machte den Siedlern seit der Zwischenkriegszeit die historische Deutungshoheit im öffentlichen Raum streitig.

Anhand von Fallbeispielen untersucht die Analyse als Kerngegenstand zwei Grundmedien, über die der öffentliche Raum Algeriens am offensichtlichsten mit Vergangenheitsbezügen besetzt wurde:

  • die Herstellung materieller und räumlicher Erinnerungsträger: Denkmäler, Gedenktafeln und Benennung des öffentlichen Raums sowie der gezielte Einsatz von Architekturstilen;
  • Gedenkrituale und Zeremonien: Feiertage, Jahrestage und Jubiläen.

Die Analyse der Deutungskämpfe um den historischen Charakter Algeriens verspricht Einblicke in die kulturellen Integrations- und Ausschlussmechanismen, die der lokalen Etablierung kolonialer Herrschaft wie auch deren Destabilisierung zugrunde lagen. Zudem eröffnet die Betrachtung kolonialer Erinnerungskulturen neue Perspektiven für die kulturwissenschaftliche Gedächtnisforschung, indem hier Versuche des Transfers europäischer Erinnerungsformen in den kolonialen Kontext untersucht werden können. Ferner erlaubt und erfordert das Thema der Erinnerungspolitik eine methodische Ausweitung des Blickwinkels, der sich bislang stark auf die Kolonialliteratur konzentriert: Neben ihren schriftlichen Formen kommen hierüber zeremonielle und materielle Dimensionen der Siedlerkultur in den Blick, die zum Beispiel durch die Benennung von Orten bis in das Alltagsleben hinein reichten. Zudem lässt sich mit der Konzentration auf ein Themenfeld innerhalb der Siedlerkultur das Zusammenspiel verschiedener relevanter Akteure betrachten, die sonst eher vereinzelt in den Blick kommen.

Die Analyse gründet im Wesentlichen auf Korrespondenzen lokaler Verwaltungen, die sich vor allem aus den Archives nationales d’outre-mer (Aix-en-Provence), dem algerischen Nationalarchiv (Birkhadem, Algier), den wilaya-Archiven von Algier, Oran und Constantine, den Stadtarchiven von Oran und Constantine sowie dem Service historique de l’armée de terre (Vincennes) zusammentragen ließen. Daneben dient die zeitgenössische französisch- wie arabischsprachige Lokalpresse dazu, öffentliche Wahrnehmungen und Diskurse zu fassen.

Ansprechpartner für:

Geschichte und Gegenwart des westlichen Nordafrika (19./20. Jahrhundert)

Koloniale und postkoloniale Kulturen im Maghreb

Koloniale und postkoloniale Migrationsbewegungen (aus und nach Nordafrika)