Universität KonstanzExzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“

Wissenschaftliches Konzept

Im Einrichtungsantrag des Clusters wurden zwei Richtungsentscheidungen getroffen: Erstens ‚Kultur’ als ein relationales, heterogenes Kräftefeld mit diffusen Grenzen statt als räumlich-holistische Größe zu fassen und zweitens dem Begriff der ‚Integration’ sein Antonym ‚Desintegration’ als gleichursprünglich zur Seite zu stellen.

Die Tragfähigkeit dieser Entscheidungen hat sich durch die Forschungen der vergangenen Jahre in vollem Umfang bestätigt. Sie ließen eine analytische Feinauflösung zu, die mit herkömmlichen Begriffen nicht möglich gewesen wäre, und haben zu wichtigen Einsichten auf so unterschiedlichen Feldern wie der Bürgerkriegsforschung, der Theorie des internationalen conflict managements, des Migrationsrechts, der europäischen Rechtsharmonisierung, der politischen und Religionsgeschichte, der Wissenschaftsgeschichte und Kultursemiotik verholfen.

Die Forschungsagenda des Clusters war in einem dreifachen Spannungsfeld situiert:

  • zwischen Aktualitätsdruck und relativierendem historischen Vergleich;
  • zwischen der Sichtweise moderner westlicher Gesellschaften und dem Erfahrungshorizont nichtmoderner bzw. außereuropäischnichtwestlicher Kulturen; und schließlich
  • zwischen empirischen Befunden und kulturtheoretischer Reflexion.

Als gemeinsames Credo der Forschungen lässt sich formulieren, dass sie die Kernbegriffe der Konstanzer Agenda von der ihnen innewohnenden Historizität und Prozessualität her gedacht und dadurch gewissermaßen verflüssigt haben, statt sie mit holistischem und normativem Anspruch einzusetzen.

Aufmerksamkeitsverschiebungen in der zweiten Forschungsphase

Vor allem der in der ersten Förderperiode des Clusters erreichte Zugewinn an außereuropäischer Kompetenz (Religionsvergleich, Ethnologie) machte es immer wieder erforderlich, terminologisch-konzeptuelle Festlegungen, die explizit oder stillschweigend auf westliche Traditionen gegründet sind, im Licht ganz andersartiger Evidenzen zu überdenken. Dies führte in der zweiten Forschungsphase zu einer Verschiebung der Aufmerksamkeit auch auf nichtwestliche Sozialontologien und Begriffswelten und zu Kategorien der ‚Ähnlichkeit’, welche es erlaubten, Distanzen zwischen Eigenem und Fremdem anders zu vermessen.

Die Entscheidung, Prozesshaftigkeit, Transformation, Mobilität und grenzüberschreitende Dynamiken zu akzentuieren, statt von vorab feststehenden sozialen Entitäten und Kulturräumen auszugehen, ist dabei nicht so zu verstehen, dass innerhalb des klassischen Binarismus von Struktur vs. Handlung beziehungsweise Struktur vs. Situation nun einfach auf die Seite des Beweglich-Situativen und der ihr gemäßen Mikroanalyse ‚umgebucht‘ worden sei. Weiterhin wurden auch Strukturfragen auf makroanalytischem Niveau behandelt, wobei jedoch ein Hauptanliegen des Clusters darin bestand, eine angemessene Beschreibungssprache für die Elastizität von Strukturen und die in ihnen enthaltenen Verhaltens- und Deutungsoptionen zu entwickeln.

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