Universität KonstanzExzellenzcluster: Kulturelle Grundlagen von Integration

Kulturelle und interkulturelle Dimensionen des biographischen Porträts

PD Dr. Peter Braun

Abstract

Das Forschungsvorhaben, das ich in engster Zusammenarbeit mit dem ungarischen Universitätsdozenten Dr. habil. Gábor Biczó realisiere, gilt den phänomenologischen, kulturhermeneutischen, narrativen und medialen Grundlagen eines basalen Musters unserer Welt- und Selbstwahrnehmung: dem biographischen Porträt. Dezidiert stellen wir dabei dessen kulturelle und interkulturelle Dimensionen in den Mittelpunkt. Biographische Porträts – ob im Journalismus, in den Sozialwissenschaften oder in der Literatur, ob als dokumentarisches Porträt, als biographische Studie oder als Autobiographie – situieren sich und konstituieren sich auf der Schnittstelle zwischen personaler und kultureller Identität. Sie gehen aus einem kulturellen Kontext hervor, schaffen diesen jedoch zugleich – und machen ihn darüber hinaus beobachtbar und lesbar. Die innovative Ausrichtung unseres Forschungsvorhabens besteht neben der Breite des zu betrachtenden Materials darin, dass wir uns auf Lebensgeschichten konzentrieren, die von Exil, Vertreibung und Migration erzählen – die also den Bruch von einer Kultur in eine andere zu bewältigen haben und deshalb mit Prozessen der Anpassung und Assimilation ebenso konfrontiert sind wie mit einer oft erlittenen Hierarchisierung der Kulturen.

Im Wechsel von theoretischen Erörterungen und exemplarischen Fallanalysen fragen wir danach, in welcher Weise im Erzählen von Lebensgeschichten kulturelle Aspekte thematisiert und vor allem in Prozessen des Deutens zuallererst geformt werden. Wir fragen danach, wie dadurch die Herausbildung einer „kulturellen Identität“ im Spannungsfeld von Annahme und Abstoßung, von Integration und Desintegration verläuft. Wir fragen weiter, welche spezifischen Konfliktlinien in Lebensgeschichten freigelegt werden, die den einschneidenden, manchmal traumatisch erlebten Wechsel zwischen zwei Kulturen beschreiben. Wir fragen nach den Brüchen und Widersprüchen, nach den Mechanismen der Assimilation und der Integration und nach den Formen des Widerstands. Und wir fragen schließlich nach den narrativen und medialen Strategien und den symbolischen Verdichtungen der Repräsentation all dieser kulturellen und interkulturellen Aspekte.

Für unser Forschungsvorhaben haben wir die folgenden Themenfelder festgelegt:

  • Philosophische und kulturhermeneutische Grundlegung
  • Rückblick auf die Wissenschafts- und Diskursgeschichte: Vincent Crapanzano
  • Life histories, Life writing: zum Stand der narratologischen Reflexion
  • Die mediale Zirkulation und Rezeption von biographischen Porträts

Biographische Porträts – für uns ein Sammelbegriff für die verschiedensten Formen von Lebensgesichten – bündeln eine Vielzahl von Themen, die im Cluster behandelt werden. Seinen Schwerpunkt besitzt unser Forschungsvorhaben im Forschungsfeld B (Erzähltheorie als Kulturtheorie), da die Frage im Zentrum steht, auf welche Weise „Kulturen“ in und durch Lebensgeschichten erzähl- und lesbar werden. Dies schließt Aspekte ihrer narrativen Verfasstheit, in der sie sich an ihre Adressaten wenden, ebenso mit ein wie Aspekte der Rezeption. Vielfältige thematische Berührungspunkte gibt es zudem mit den Forschungsfeldern A (Identitätskulturen) und C (Transkulturelle Hierarchien).