Universität KonstanzExzellenzcluster: Kulturelle Grundlagen von Integration

Wechsel-Geschichten: Zum Narrativ von Konversion und Kredit im 19. und 20. Jahrhundert

Lena Kugler

Abstract

Das Projekt will dem Narrativ von Konversion und Kredit in der Literatur des 19. bis frühen 20. Jahrhunderts nachgehen, um die moderne Verschränkung von Ökonomie und Religion als Geschichte eines gerade in der Literatur gebildeten Wechselnarrativs lesbar zu machen. Ausgangshypothese ist, dass die Konversion in dem Moment „universelle Kulturtechnik und Meistertrope der Moderne“ (Weigel 2004, 86) wurde, als das Narrativ des Glaubenswechsels mit dem des ökonomischen Wechselgeschäfts enggeführt wurde. Wenn es in diesem Projekt darum um Wechsel-Geschichten gehen soll, dann in eben dieser Dopplung: Gelesen werden solche Texte, in denen beide Wechselformen, Kreditgeschäft und (meist: jüdische) Konversion, aufeinander treffen, sich spiegeln und verzerren, wobei sich ihre verschiedenen Logiken gerade im Versuch der Unterscheidung immer stärker verstricken und in den Selbstbeschreibungen der Gesellschaft zum diskursiven Knotenpunkt festzurren. Als Schwellennarrativ mit zweifachem Einsatz gelangte das Doppelnarrativ des ‚Wechsels‘, das sich nach 1800 in der Literatur zu einem einzigen, gleichwohl unter Spannung stehenden, verfügt hatte, nach 1900 in die Sozialwissenschaft: Wurden zuvor Ökonomien der Konversion entworfen, verhandelte die Debatte um den konfessionellen Ursprung des Kapitalismus Konversionsmodelle der Ökonomie. Als Konversionsoperation wird der Kapitalismus selbst „essentiell religiöse Erscheinung“ (Benjamin 1921/2003, 15): Religion, die ihre ‚Essenz‘ gerade im Veräußern, und zwar des Schuld- und Wechselscheins, in Umlauf bringt.