Universität KonstanzExzellenzcluster: Kulturelle Grundlagen von Integration

Im Dienste des Kaisers?

Konstituierung und Selbstverständnis der römischen Reichselite

Johannes M. Geisthardt

Abstract

Nach der Schlacht von Actium musste die oligarchisch strukturierte römische Nobilität einsehen, dass mit Augustus aus ihren Reihen ein Sieger auf dem sozio-politischen Spielfeld um Macht und Prestige hervorgegangen war, der nicht mehr in den konsensualen Rahmen der republikanischen Herrschaftsordnung eingebunden werden konnte. Dennoch veränderte sich die Aufgabe der sich nun ständig von außen (aus Italien und den Provinzen) erneuernden Senatsaristokratie im Kern nicht. Ihre Funktion war nach wie vor die Beherrschung des Imperiums, wobei sie nun allerdings dem Alleinherrscher gegenüber rechenschaftspflichtig war. Darüber hinaus hingen von diesem auch Karriere und Erfolg jedes einzelnen Angehörigen des ordo senatorius ab.

Das Dissertationsprojekt macht es sich zur Aufgabe, die senatorische Perspektive auf das zeitgenössische Herrschaftssystem, das daraus resultierende Selbstverständnis/Selbstbild der Funktionselite sowie die möglichen Friktionen mit dem kaiserlichen Herrschaftsdiskurs herauszuarbeiten. Vornehmlich wird hierbei nicht der Senat, sondern dessen einzelne Mitglieder, die der Prinzeps in seine Herrschaftsausübung über das Reich in besonderem Maße einbezog, im Fokus der Arbeit stehen. Von zentraler Bedeutung sind vor diesem Hintergrund folgende Fragen: Welche literarischen Narrative, welche archäologischen und epigraphischen Repräsentationsformen werden von diesen genutzt, um sich in die sozio-poltische Ordnung der römischen Monarchie einzuschreiben? Welche (des-)integrativen diskursiven Strategien kommen dabei zur Anwendung und auf welche mentalen Dispositionen einer transkulturellen Elite lassen diese schließen?

Die Beschränkung des Untersuchungszeitraums auf die Regierungszeit Trajans – einer Zeit, zu der die Herrschaftsform der Monarchie vollständig etabliert war – soll eine möglichst hohe Kohärenz der unterschiedlichen literarischen und monumentalen senatorischen Diskursivierungen von Herrschaft gewährleisten. Von zentraler Bedeutung sind hierbei die zeitgenössischen, von den Mitgliedern der senatorischen Funktionselite selbst produzierten literarischen Texte (in erster Linie die Werke von Tacitus und Plinius dem Jüngeren) und darin besonders die Darstellung des komplexen Beziehungsgeflechts ‚Senatoren – Kaiser – Imperium‘. Diese Schriften sollen dabei nicht bezüglich ihres historiographischen, panegyrischen, rhetorischen oder gar ethnologischen Gehalts untersucht, sondern auf die in ihnen verwendeten Sinngebungsmuster und Ordnungsstrukturen hin analysiert und – soweit dies möglich ist – in ihren soziologischen und historischen Entstehungs- und Rezeptionskontext eingebettet werden.

Das Projekt ist folglich als ein Beitrag zu einer strukturgeschichtlichen Monarchieanalyse des Forschungsprojekts „Zwischen Tyrannis und Gottesgnadentum. Antike Alleinherrschaften im interkulturellen Vergleich“ zu verstehen und setzt es sich zum Ziel, Funktion und Wahrnehmung der römischen Monarchie aus der ambivalenten Perspektive der vom Kaiser rekrutierten und dirigierten, gleichzeitig aber das Imperium beherrschenden Schicht der römischen Reichselite herauszuarbeiten.

Publikation

Cover

Johannes M. Geisthardt: Zwischen Princeps und Res Publica. Tacitus, Plinius und die senatorische Selbstdarstellung in der Hohen Kaiserzeit. Stuttgart: Franz Steiner 2015.