Universität KonstanzExzellenzcluster: Kulturelle Grundlagen von Integration

Loyalitätskonzepte im modernen Europa

Deutschland und Großbritannien im Vergleich

Dr. Nikolaus Buschmann

Abstract

Politische Loyalitätsbeziehungen auf dem Konzept der „Treue“ zu gründen, erscheint aus modernisierungstheoretischer Perspektive tendenziell anachronistisch. Dennoch weisen Treuesemantiken in der politischen Sprache der Moderne eine erstaunliche Präsenz auf.

Während das „System der Treue“ (Paolo Prodi) als herrschaftsbegründende Institution mit dem Aufstieg des neuzeitlichen Staates in der Tat verabschiedet wurde, entwickelte die Rede von der Treue eine kaum zu unterschätzende Bedeutung in der politischen Vorstellungswelt des konstitutionellen Zeitalters. Seit um 1800 der Nationalismus zur wirkungsmächtigsten Integrationsideologie in Europa aufstieg, wurde die „Treue zum Vaterland“ einerseits zum Dreh- und Angelpunkt für die politische Mobilisierung und militärische Disziplinierung der Gesellschaft, andererseits zum Brennpunkt verfassungspolitischer Grundsatzkonflikte.

Das Forschungsprojekt geht den semantischen Verästelungen des Treuebegriffs in Politik, Wissenschaft, Literatur, Kunst und Religion nach und fragt nach Verwendungszusammenhängen in der sozialen Praxis. Ziel ist es, über einen vergleichenden Zugang den Stellenwert von Treuevorstellungen für die Herstellung von politischer Loyalität und militärischer Gefolgschaft in der europäischen Geschichte am Beispiel Deutschlands und Großbritanniens zwischen dem Zeitalter Napoleons und der Epoche der Weltkriege auszuloten.

Publikationen

Nikolaus Buschmann, Treue und Verrat. Zur Semantik politischer Loyalität in Deutschland von den Befreiungskriegen bis zur Weimarer Republik, in: Manuel Borutta/Nina Verheyen (Hsrg.), Die Präsenz der Gefühle. Männlichkeit und Emotion in der Moderne. Bielefeld 2010, 129-151.

Nikolaus Buschmann, Zwischen Leidenschaft und Disziplinierung. “Treue” als gefühlspolitischer Kampfbegriff in der neueren deutschen Geschichte, in: Arcadia - International Journal for Literary Studies 44 2009, 106-120.