Universität KonstanzExzellenzcluster: Kulturelle Grundlagen von Integration

Die japanischen Intellektuellen und China

Die Niederschlagung der chinesischen Demokratiebewegung 1989 als Krise regionaler Integration

Prof. Dr. Wolfgang Schwentker

Abstract

Das Forschungsvorhaben befasst sich mit der Frage, auf welche Weise die japanischen Intellektuellen das Massaker auf dem „Platz des Himmlischen Friedens“ und das vorläufige Ende der chinesischen Demokratiebewegung (als Augenzeugen, Autoren oder Leser) erfahren, gedeutet und vermittelt haben. Dazu wird zunächst der ältere Chinadiskurs vor 1989 in Japan analysiert, der sich insbesondere als Folge der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen im Jahre 1972 intensiviert hatte. Zahlreiche japanische Gelehrte und Künstler kamen in den 1980er Jahren zu Forschungsaufenthalten oder Besuchen nach China. Sie erlebten dort das Anwachsen der Demokratiebewegung in den 1980er Jahren vor Ort und wurden Zeugen der Niederschlagung dieser Bewegung durch das Massaker auf dem Tien’anmen-Platz. Ihre Aufzeichnungen sind heute gut dokumentiert und bilden einen zentralen Quellenbestand der geplanten Untersuchung.

Die Studie über den China-Diskurs der japanischen Intellektuellen zur Zeit der chinesischen Protestbewegungen 1987/89 problematisiert mit Blick auf das Rahmenthema des Konstanzer Exzellenzclusters Prozesse der Integration und Desintegration in Ostasien. Die zivilisationskritischen und kulturtheoretischen Bemühungen um ein sogenanntes „Haus Ostasien“ oder den „Kulturkreis der Kanji“ zielen seit etwa 30 Jahren auf eine Stärkung der Region Ostasien, die im globalen Rahmen gegen die politische und ökonomische Vorherrschaft der USA gerichtet ist. Alle Versuche zur regionalen Integration in Ostasien werden aber immer wieder von gesellschaftlichen und politischen Konflikten durchkreuzt, die sich im Wesentlichen aus den unterschiedlichen Bewertungen der jüngeren asiatischen Geschichte und aus der Heterogenität der politischen und sozialen Ordnungssysteme ergeben. Diese Konflikte zwischen Japan und China gehen einher mit nationalistisch aufgeladenen Ideen, in denen es auch um Probleme der transkulturellen Hierarchisierung geht, also etwa um die Frage, ob Japan Teil der chinesischen Zivilisation ist oder eine ganz eigenständige Zivilisation bildet. Die Niederschlagung der chinesischen Demokratiebewegung und die damit verbundene Desillusionierung in der Region sind ein wichtiger Teil dieser zivilisationstheoretischen Narrative geworden. Eine Analyse dieser Wirkungszusammenhänge wird zeigen, auf welche Weise Formen kultureller Selbstdeutung und Fremdwahrnehmung in Japan an Prozesse sozialen, politischen und ökonomischen Wandels in Asien gebunden sind.