Universität KonstanzExzellenzcluster: Kulturelle Grundlagen von Integration

Goldene Ketten

Menschen, Minen und Märkte in der globalen Ökonomie des 20. Jahrhunderts

Dr. Bernd-Stefan Grewe

Abstract

Das Habilitationsprojekt „Goldene Ketten. Menschen, Minen und Märkte in der globalen Ökonomie des 20. Jahrhunderts“ untersucht mit dem Gold einen zentralen Aspekt der Weltwirtschaft des 20. Jahrhunderts, der bisher als ein welthistorisches Thema primär unter dem Gesichtspunkt der Währungspolitik erforscht wurde. In dieser Untersuchung sollen hingegen stärker die kulturelle Einbettung ökonomischer Prozesse herausgearbeitet werden und kultur- und wirtschaftshistorische Ansätze miteinander verbunden werden.

Die Warengeschichte des Goldes kombiniert mikro– und makrohistorischer Analyse und macht so die Handlungsmacht (agency) der einzelnen Akteure sichtbar, die auf verschiedenen hierarchischen Ebenen und mit unterschiedlichen Einflussmöglichkeiten zwar in globale Strukturen eingebunden waren, sich zugleich aber neue Handlungsmöglichkeiten schufen. Insofern soll der aus Wallersteins World System-Schule hervorgegangene Ansatz der „Global Commodity Chains“ weiterentwickelt werden und mit Denkfiguren aus der Netzwerktheorie kombiniert werden. Auf diese Wiese will die Arbeit einen theoretisch und empirisch begründeten Beitrag zu einer Theorie des Lokalen in globalen Kontexten liefern.

Die Arbeit konzentriert sich auf drei aus Sicht der politischen Ökonomie besonders interessante Dekaden: die 1930er, 1960er und 1990er Jahre. Zunächst werden die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise in Südafrika, Indien und Großbritannien am Beispiel des Goldes untersucht. Während der ab 1933 einsetzende Boom des südafrikanischen Goldbergbaus einen gesamtwirtschaftlichen Aufschwung auslöste, litten vor allem die indischen Bauern unter den niedrigen Agrarpreisen auf dem Weltmarkt und waren vielfach gezwungen, ihre in Gold gehorteten Ersparnisse aufzubrauchen. Goldbroker in London sprachen in diesem Zusammenhang von einem „Indian Goldrush“. Doch auch in der City bekam die Auswirkungen der Great Depression zu spüren, so dass Großbritannien gezwungen war, den Goldstandard für das Pfund Sterling wieder aufzugeben.

In den 1960er Jahren war das Apartheids-Regime in Südafrika auf seinem Höhepunkt, das postkoloniale Indien wollte seine Wirtschaft planwirtschaftlich mit Fünfjahresplänen reformieren und der internationale Goldmarkt in London befand sich immer wieder in der Krise, die schließlich mit dem Aussetzen des Goldfixings und der coupartigen Übernahme des Goldmarktes durch die Schweizer Großbanken endete. Besonders interessant ist in dieser Phase Indien, dessen rigoros durchgesetztes Goldimportverbot zu einer umfangreichen Schattenwirtschaft führte, so dass rund ein Viertel der Weltgoldproduktion über die arabische Halbinsel nach Bombay geschmuggelt wurde.

Im dritten Teil werden die Auswirkungen des epochalen demokratischen Umbruchs in Südafrika, des radikalen Kurswechsels der indischen Wirtschaftspolitik und die in den 1980er Jahren auf dem internationalen Goldmarkt etablierten hochspekulativen Futureshandels untersucht. Auf globaler und nationaler Ebene stellen sich diese Folgen jedoch weitaus revolutionärer dar, als dies etwa für die Lebenswelten von Minenarbeitern und Goldschmieden der Fall sein musste.