Universität KonstanzExzellenzcluster: Kulturelle Grundlagen von Integration

Comparative North American Studies: Contexts, Approaches, Texts

Prof. Dr. Reingard M. Nischik

Abstract

In meiner Monographie mit dem Arbeitstitel „Comparative North American Studies: Contexts, Approaches, Texts“ sollen meine Vorarbeiten, die die amerikanische und kanadische Kultur und Literatur nicht wie andernorts und bislang meist üblich getrennt betrachten, sondern transnational bzw. kontinentalistisch und z.T. auch in ihrer außerkontinentalen globalen Bedeutung, in einem konzeptionell sowie anhand ausgewählter Fallstudien grundlegenden Werk ausgearbeitet werden. Anhand zentraler wesentlicher Aspekte wie Multikulturalismus bzw. Transkulturalismus, (post-)nationaler mythischer Selbstkonzeptionierung und Re-Konzeptionierungen der historischen Entwicklungen soll untersucht werden, welche integrative Bedeutung „literarische“ Texte in den USA und Kanada hatten und haben und in welcher signifikant unterschiedlichen Weise Literatur in beiden nordamerikanischen Ländern integrative oder dekonstruierende bzw. desintegrative Funktionen ausüben. Eine vergleichende Betrachtung beider Literaturen existiert bislang nicht.

Für die Thematik des Clusters, Kulturelle Grundlagen von Integration, könnte es kaum aufschlussreichere Länder geben als Kanada und die USA, jeweils für sich betrachtet, aber gerade auch in ihrer komparatistischen kulturellen Zusammenschau. Von Beginn der Besiedlung an multikulturell (s. die indigenen Natives/First Nations und Inuit) und per Definition beide klassische Einwanderungsländer, hat von beiden Ländern Kanada in den 1980er Jahren als erstes Land der Welt den sog. Multikulturalismus (der Begriff wurde auch dort geprägt) zum Verfassungsrang erhoben.

Ganz im Gegensatz zu seinem südlichen mythenüberbordenden Nachbarn USA ist Kanada ein relativ mythenfreies Land, in dem der Multikulturalismus zu einer Art Ersatzmythos geworden ist, zumal Kanada mehr offizielle Einwanderer aufnimmt als die USA. Dieser multikulturalistische Ansatz gründete auch in Kanadas bifokaler kolonialer Vergangenheit (von 1604-1760 französische Kolonie, von 1763-1867 englische Kolonie), die zunächst in die offizielle Zweisprachigkeit Kanadas mündete und den kanadischen Romancier Hugh MacLennan zu dem Ausspruch der „two solitudes“ („zwei Einsamkeiten“) führte, welche die kanadische Kultur- und Literaturkritkerin Linda Hutcheon, ebenso skeptisch in Bezug auf die soziale Integration der zahlreichen ethnischen Gruppierungen in die „kanadische“ Gesellschaft, zum Begriff  der „other solitudes“ weiterführte.

Wie in anderem Zusammenhang in meinem Buch Translating Canada: Charting the Institutions and Influences of Cultural Transfer: Canadian Writing in German/y (University of Ottawa Press 2007) nachgewiesen, figurieren kulturelle Zusammenhänge in Kanada, besonders die anders als in Deutschland z.T. staatlich geförderte Literatur, als stark integrierende Elemente in einem sprachlich und ethnisch disparaten Staatsgefüge (vgl. z.B. die politischen Auseinandersetzungen zwischen der indigenen Bevölkerung und der kanadischen Regierung oder die langanhaltenden Spannungen zwischen der französischsprachigen Provinz Quebec und „Rest of Canada“). Demgegenüber ist die amerikanische Kultur, der man in ihrer Ausstrahlungskraft gerade auch auf das postkoloniale nördliche Nachbarland oft auch kulturellen Imperialismus nachsagt, spätestens seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts damit beschäftigt, eine immerzu im Übermaß imaginierte und postulierte assimilatorische Identität zu dekonstruieren.

Grundlegende Kapitel des geplanten Buches werden zunächst u.a. methodisch-theoretischen Überlegungen zum Stellenwert der komparatistischen Methode in der heutigen Literaturwissenschaft sowie speziell der Amerikanistik und Kanadistik gewidmet sein (vgl. auch Schlagworte wie hemispheric studies oder global studies); sodann den verschiedenen „Identitätskulturen“ der USA und Kanadas, wie sie sich in ihren krass unterschiedlichen Selbstkonzeptionierungen auf der Ebene der symbolischen Repräsentation verfestigt haben (z.B. manifest destiny vs. garrison mentality oder der mythische amerikanische Westen verbunden mit dem Frontier-Konzept vs. Canada and the Idea of North); sowie den unterschiedlichen imaginierten Integrationsmodellen in Bezug auf die multi-ethnische Zusammensetzung beider nordamerikanischer Kulturen (vgl. e pluribus unum bzw. melting pot vs. a mari usque ad mare bzw. the Canadian mosaic), wie sie sich auch in der Literatur niederschlagen. Brennpunkte der Analyse werden zudem auch ausgewählte Fallstudien (Kap. 4-9) sein, in denen sich die grundlegenden Überlegungen der Kapitel 1-3 exemplarisch bündeln.

Publikationen

Cover

Reingard M. Nischik: Comparative North American Studies. Transnational Approaches to American and Canadian Literature and Culture. New York: Palgrave Macmillan 2015.

Cover

Reingard M. Nischik (Hg.): The Palgrave Handbook of Comparative North American Literature. New York: Palgrave Macmillan 2014.