Universität KonstanzExzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“

Verwalten in Modernen Protektoraten II

Die EULEX-Mission der Europäischen Union im Kosovo

Agne Vaicekauskaite

Abstract

Das Ziel des Projektes ist es, anhand der Rechtsstaatlichkeitsmission EULEX der Europäischen Union im Kosovo zu untersuchen, wie sich die widersprüchliche Situation einer durch die Betroffenen nicht legitimierten Fremdherrschaft, die den Begriff der „Rechtsstaatlichkeit“ im Titel führt, in der konkreten Verwaltungssituation und in den Rückkoppelungsprozessen zwischen abstrakten Standards und konkreter Anwendungsebene widerspiegelt. Nicht zuletzt geht es auch darum, Konsequenzen für zukünftige Missionen zu ziehen.

Die EULEX-Mission, der größte zivile Einsatz in der Geschichte der EU, ist eine selbständige Mission der EU im Rahmen ihrer Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP). Sie stellt keine kontinuierliche Weiterentwicklung des bisherigen EU-Engagements im Rahmen der United Nations Interim Administration in Kosovo (UNMIK) dar, sondern eine neue Mission neben der UNMIK. Sie nimmt in den Bereichen Polizei, Justiz und Zoll umfassende, auch exekutive Zuständigkeiten und Befugnisse im Kosovo wahr. Die Aufgabe dieses jüngsten Beitrags der EU zur Friedenssicherung auf dem Balkan bildet die Unterstützung eines nachhaltigen Aufbaus rechtstaatlicher, multiethnischer und stabiler Strukturen im Kosovo. Zu diesem Zweck soll die EULEX-Mission die Institutionen des Kosovo beobachten, anleiten und beraten. Darüber hinaus sind EULEX-Beamten auch „Exekutivbefugnisse in einigen Bereichen“ eingeräumt.

Das Projekt fragt zunächst nach den rechtlichen Rahmenbedingungen des zivilen EU-Engagements im Kosovo. Die Ausübung staatlicher Gewalt auf fremdem Territorium bedarf völkerrechtlich entweder einer entsprechenden Vereinbarung mit dem betroffenen Staat oder einer Rechtfertigung durch eine Resolution des UN-Sicherheitsrates. Weil bislang nicht alle Mitgliedstaaten der EU das Kosovo anerkannt haben, kann eine Einladung durch das Kosovo nicht die völkerrechtliche Grundlage des EU-Engagements bilden. Aber auch eine neue internationale Rechtsgrundlage für den EU-Einsatz im Kosovo ist nicht zustande gekommen. Es erscheint aber auch zweifelhaft, ob sich ein konkretes Mandat für die EULEX-Mission aus der Resolution 1244 vom Jahre 1999 ableiten lässt, womit eine internationale zivile Präsenz im Kosovo (UNMIK) eingerichtet wurde. Die zahlreiche Versuche, aus diesem Dilemma durch juristische Konstruktionen und argumentative Verbiegungen herauszukommen, belegen die hochspannende Zwischenlage dieser Verwaltungsmission.

Neben dieser völkerrechtlichen Perspektive ist sich aber vor allem aber mit der Frage der Legitimität der EU-Mission angesichts der konkreten Verwaltungssituation auseinanderzusetzen. Mittels einer empirischen Analyse sollen die durch die EULEX-Mission vorgenommenen Handlungsformen des Verwaltens ermittelt und systematisiert werden. Anschließend ist die Zulässigkeit der Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben durch die EU im Rahmen einer zivilen ESVP-Mission zu untersuchen. Daneben widmet sich das Forschungsprojekt den damit zusammenhängenden Fragen wie Rechtsschutzlücken, Zuweisung von (völkerrechtlicher) Verantwortlichkeit und Haftung.

Abschließend sollen die ermittelten Grundlagen mit den rechtlichen Vorgaben für akzeptables Verwalten konfrontiert werden. Die Standards legitimer Verwaltung bilden sowohl aus der Perspektive der EU als auch gegenüber der Bevölkerung in dem Interventionsgebiet den legitimierenden Maßstab des Interventionshandelns. Daher zielt die Untersuchung im letzten Schritt darauf, konkrete Mechanismen zu beobachten, mit denen die abstrakten europarechtlichen Standards an das konkrete EU-Verwaltungshandeln angepasst werden. Es soll geklärt werden, inwieweit die eingriffsintensive EULEX-Verwaltungsmission, die den Begriff der „Rechtsstaatlichkeit“ im Titel führt, für sich selbst rechtsstaatliche Verfahren und Institutionen vorsieht oder jedenfalls vorsehen muss. Darüber hinaus ist zu beobachten, welchen Ordnungsmustern die Genese konkreter verwaltungsrechtlicher Handlungsregeln in einer sozial, politisch und kulturell ausgeprägten Protektoratsverwaltung folgt. Lassen sich keine Rechtsschutzmechanismen aktivieren bzw. etablieren, in denen das Handeln der EULEX-Mission anhand europarechtlicher Standards diskutiert wird, läuft die dann rechtlich unkontrollierte Ausübung von Hoheitsgewalt durch die EULEX-Mission in Gefahr, die Legitimationsbasis und Glaubwürdigkeit der Mission zu untergraben, indem sie die eigenen rechtsstaatlichen Postulate konterkariert.