Universität KonstanzExzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“

Imperator Augustus

Die diskursive Konstituierung der militärischen persona des römischen Kaisers im 1. Jh. n. Chr.

Wolfgang Havener

Abstract

Die Rolle des Kaisers als Oberbefehlshaber des Heeres stellte eine Konstante imperialer Herrschaft im Römischen Reich dar. Seit Augustus bildete die untrennbare Verbindung von Kommandogewalt und politischer Macht den entscheidenden Bestandteil der imperialen Machtbasis. An dieser Stelle setzt das Dissertationsprojekt an und verfolgt das Ziel, aus diskursanalytischer Perspektive die Nutzung des besonderen Verhältnisses zwischen Kaiser und Heer im Rahmen der Herrschaftslegitimation und -repräsentation des 1. Jh. n.Chr. sowie die Reaktionen der Adressaten dieser Legitimierungsstrategien zu untersuchen: Die Monopolisierung der Beziehungen zum Heer und der daraus resultierenden Vorteile zog notwendigerweise eine gewisse Asymmetrie zwischen dem Kaiser und den Angehörigen der senatorischen Elite nach sich, denen die Möglichkeit genommen wurde, selbst aus einem Nahverhältnis zu den Soldaten politischen Nutzen zu ziehen.
Die sich hieraus ergebenden Konflikte konstituierten einen spannungsreichen Diskurs über die Beziehungen zwischen Herrscher und Heer, der sowohl seitens der Kaiser wie auch seitens der Führungsschicht rezipiert, bearbeitet und in breiter angelegte pro- und antimonarchische Diskurse integriert wurde. In der Kommunikation von Kaiser und senatorischer Elite kommt den Beziehungen zwischen Herrschern und Soldaten folglich eine zentrale Rolle zu. Die Grundlagen für eine umfassende Analyse dieser Rolle bilden sowohl die zeitgenössische Literatur, insbesondere Historiographie und Biographik, wie auch archäologische, epigraphische und numismatische Quellen.

Ziel eines ersten Arbeitsschrittes ist zum einen die Typologisierung des „Rollenarsenals“, welches dem princeps im Rahmen der sich durch die gänzlich gewandelten Rahmenbedingungen nach der Machtübernahme Octavians herausbildenden neuen persona zur Verfügung stand, sowie der Methoden der Rollengenerierung, zum anderen eine Untersuchung der Strategien, die angewandt werden konnten, um diese Rollen im Rahmen der Kommunikation mit den gesellschaftlichen Gruppen nutzbar zu machen.
Gegenstände dieser Analyse sind u.a. die Selbststilisierung des Augustus in seinem Tatenbericht sowie die augusteische „Triumphpolitik“ und die Präsentation des auf diplomatischem Wege errungenen „Parthersieges“. Die diskursiv komplementären Elemente zur Ebene der imperialen Selbstdarstellung sind zum einen die Perzeption der kommunikativen Angebote des Kaisers durch die Adressaten sowie andererseits die Verarbeitung dieser Wahrnehmung und ihre Darstellung.
In einem zweiten Schritt ist folglich zu untersuchen, wie insbesondere die römische Oberschicht mit den veränderten Rahmenbedingungen umging. Analysiert werden soll, wie die Angehörigen und Repräsentanten der senatorischen Elite mit der Monopolisierung militärischer Macht durch den princeps und der damit im Vergleich zur (spät)republikanischen Epoche verbundenen Einschränkung eigener Spielräume umgingen. Untersuchungsgrundlage bilden hierbei vor allem Textquellen verschiedener Genres, in denen sich eine Ver- und Bearbeitung dieses Themas nachweisen lässt (v.a. Historiographie und Biographik).

Ist auf diese Weise der Rahmen des Diskurses abgesteckt worden, besteht der zweite Schwerpunkt der Arbeit in der Analyse von Entwicklungslinien durch das gesamte 1. Jh. n. Chr. hindurch. Zu fragen ist hierbei, ob sich einerseits die Kontexte des Diskurses veränderten und welche Auswirkungen solche Veränderungen andererseits auf den Diskurs selbst hatten. Im Bereich kaiserlicher Repräsentation bietet es sich insbesondere an, am Beispiel von Kaiserwechseln zu eruieren, welche Elemente kaiserlicher Kommunikationsstrategien und welche diskursiven Rollen in welchen Kontexten aktiviert bzw. gerade nicht aktiviert oder in spezifischer Weise bearbeitet wurden, um zur Herrschaftslegitimierung beizutragen. Zentrale Bedeutung kommt dabei dem Übergang von der iulisch-claudischen zur flavischen Dynastie zu.
Es stellt sich daher die Frage nach der Stärke und der Stabilität der diskursiven Struktur bei einem fundamentalen Wechsel des Personals. Eine weitere zentrale Frage ist diejenige nach spezifischen „Diskursräumen“: Werden bestimmte Elemente des Diskurses bestimmten gesellschaftlichen Kontexten und kommunikativen Situationen zugeordnet? Welche Möglichkeiten der Variation bieten sich dem einzelnen Kaiser bei der Bespielung verschiedener gesellschaftlicher Bühnen? Auf Seiten der Fremdwahrnehmung ist von Bedeutung, in welcher Hinsicht zum einen die Stabilisierung der Monarchie als solcher, zum anderen die durchaus gegebene Prekarität der Herrschaft einzelner Monarchen auf die diskursive Position der Adressaten kaiserlicher Kommunikationsstrategien einwirkte. Auch in diesem Arbeitsschritt sollen für beide Seiten sowohl literarische als auch nicht-literarische Quellen herangezogen werden.