Universität KonstanzExzellenzcluster: Kulturelle Grundlagen von Integration

Kultur der Wunde

(Kulturwissenschaftliches Kolleg)

Dr. Daniel Šuber

über das gleichnamige Hauptprojekt (zusammen mit Slobodan Karamanić)

Abstract

Während des Kollegaufenthaltes sollen die Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt „Kultur der Wunde? Zur visuellen Veralltäglichung des kulturellen Traumas in Serbien“ mit weiteren Arbeiten zu einer Monographie synthetisiert werden. Ziel ist dabei, eine alltagssoziologisch ausgerichtete Erklärungsperspektive auf die Möglichkeitsbedingungen und Folgen derjenigen Dissoziationsdynamiken zu werfen, die im Umkreis der Auflösung des ehemaligen Jugoslawien stattfanden. Diese sollen auf der Basis der Erhebung kulturwissenschaftlicher Daten aus Serbien analysiert werden. Damit soll zugleich ein Desiderat in der Forschungslandschaft zu den Folgekriegen in Jugoslawien geschlossen werden.

Konzeptionell setzt das Unterfangen an dem Problem der Medialisierung kulturell tradierter Selbstbilder an. Distanziert wird sich dabei von solchen ungeprüften Voraussetzungen, die in den geläufigen sozialwissenschaftlichen Erklärungsansätzen regelmäßig anzutreffen sind, und eine lineare Wirkung von der medial lancierten Kriegspropaganda seitens des (Milošević-) Regimes auf die Ebene des Alltagshandelns unterstellen. Aus dieser Verkürzung resultiert schließlich die allgemein geteilte Vorstellung, die serbische Bevölkerung hätte einen Bruderkrieg gegen seine Nachbarvölker mehrheitlich unterstützt. Im Unterschied dazu setzt das Projekt daran an, Daten über die Art und Weise der Transmission und Rezeption der Nationalisierungsdiskurse des serbischen Regimes für die Periode zwischen 1987 und 1990, die einmal als „blinder Fleck in der serbischen Geschichte“ (Andjelković/Dimitrijević) bezeichnet wurde, auszuwerten. In Anknüpfung an vorliegende Untersuchungsergebnisse aus anderen Kontexten (vgl. Welzer) soll von der Hypothese ausgegangen werden, dass während dieser Phase ein „Barbarisierungsprozess“ (Bax) stattfand, der eine radikale Aushöhlung bisher selbstverständlicher, kollektiv geteilter moralischer Orientierungen binnen eines relativ kurzfristigen Zeitraumes mit dem Resultat zur Folge hatte, sodass gewalttätige Übergriffe gegenüber einer nunmehr als „Volksfeind“ deklarierten gesellschaftlichen Gruppe toleriert werden konnte. Ein solcher Zusammenhang soll unter Rückgriff auf die jüngst entwickelten Theorien des kulturellen Traumas (Alexander, Giesen) fundiert und weitergeführt werden.

Näheren Aufschluss über Logik des Umgangs mit nationalen Selbstbildern erhofft sich das Projekt über die Analyse visueller Daten wie insbesondere Spielfilmen (siehe Šuber 2007) sowie der Produktion von Street-Art und Graffiti (siehe Šuber 2009). Hierbei ist eine der Leitfragestellungen diejenige nach den Formen des Rekurses auf das legendäre, traumatologisch kodierte „Kosovo-Narrativ“. Eine der Hauptfragen des Clusters, inwiefern „politisches Handeln sich auch in der Gegenwart stärker an mythischen Konstruktionen als an rationalen Abwägungen orientiert“, soll auf diese Weise getestet werden. Da Street-Art und Graffiti gemeinhin – in der Nachfolge des Ansatzes der Birmingham School – als subversive Medien schlechthin angesehen werden, soll bei dieser Analyse, die sich neben einer inhaltsanalytischen Auswertung auch auf diejenige von Fokusgruppen-Interviews stützt, die Übertragbarkeit einer solchen Anschauungsweise in einem durch Krieg und innere Zerrissenheit charakterisierten Kontext wie dem serbischen aufrecht erhalten lässt, hinterfragt werden.

Der Aufenthalt am Kulturwissenschaftlichen Kolleg soll darüber hinaus auch dazu genutzt werden, eine geplante Filmdokumentation über das Projektthema vorzubereiten.