Universität KonstanzExzellenzcluster: Kulturelle Grundlagen von Integration

‚Konzertiertes’ Handeln? Abstimmungsprozesse beim musikalischen Improvisieren in Free Jazz und Flamenco

Dr. Silvana Karina Figueroa-Dreher

Abstract

Das interdisziplinäre Forschungsvorhaben ordnet sich vordergründig in die Bereiche der soziologischen Handlungs- und Interaktionsforschung, der Musiksoziologie sowie der Ethnomusikologie ein. Ziel ist die empirische Analyse des musikalischen Improvisierens aus handlungs- und interaktionstheoretischer Perspektive – eines Phänomens, das aus soziologischer Perspektive kaum erforscht wurde. Improvisationsprozesse zeichnen sich dadurch aus, dass sich das bloße Interpretieren von (kulturell geprägten) Regeln, Konventionen und Rollen für das Handeln als unzureichend erweist. Was jenseits dieser Konventionen liegt, sind Freiräume für neue, kreative, spontane und zum Teil unvorhersehbare Handlungsweisen. Da bei Improvisationsprozessen der Grad der Konventionalisierung niedrig und die Kontingenz entsprechend hoch ist, lässt sich eine Reihe von Forschungsfragen konstatieren, die die soziologische Handlungs- und Interaktionstheorie betreffen: Wie gehen Akteure mit den „Handlungsfreiräumen“ und der Interaktionskontingenz um? Auf welche Art lösen sie das Problem der gegenseitigen Handlungskoordination während des Improvisierens? Mittels welcher spezifischen Handlungsmodi erfolgt Abstimmung, wenn keine oder nur minimale Gruppenkoordinierungs- und Führungsinstanzen für das gemeinsame Improvisieren vorhanden sind?

Die Studie wird mittels der Kombination zweier Forschungsstränge realisiert: Einerseits werden qualitativ-empirische, ‚mikroskopische‘ Vergleichsanalysen des improvisatorischen Interagierens in Free Jazz und Flamenco durchgeführt. Die Basis dafür sind eigene audiovisuelle Aufnahmen von Free Jazz- und Flamenco-Trios, sowie narrative Interviews mit den entsprechenden Musikern. Andererseits werden die empirischen Ergebnisse und die daraus resultierende datenbasierte Theorie mit schon bestehenden interaktionstheoretischen Erkenntnissen und Theorien des musikalischen Improvisierens in Bezug gesetzt und zu einem eigenständigen Modell integriert. Als Ergebnis wird der Kern einer Theorie des musikalischen Improvisierens formuliert (Habilitationsschrift).