Universität KonstanzExzellenzcluster: Kulturelle Grundlagen von Integration

Hybridisieren und Pfropfen als kulturwissenschaftliche Wissensfiguren für Synthese- und Differenzierungsdynamiken

Prof. Dr. Uwe Wirth

Abstract

Seit einigen Jahren hat der Begriff der ‚Hybridisierung‘ Hochkonjunktur. Mit ihm werden im Kontext von Literatur-, Medien- und Kulturtheorien (insbesondere der Postcolonial Studies) Dynamiken der Absorption und der Integration, der Verschmelzung und ‚Kreuzung‘ heterogener Sprech-, Denk- und Handlungsweisen zu neuen Konfigurationen beschrieben. Nicht zuletzt aufgrund seiner hochproblematischen Wurzeln im Rassediskurs des 19. Jahrhunderts bedarf es jedoch einer kritischen Reflexion der Implikationen des Hybridisierungsbegriffs.

Dieser Aufgabe möchte ich im Rahmen eines – insgesamt auf 12 Monate angelegten – Buchprojekts (geplanter Umfang: ca. 200 Seiten) nachgehen, indem ich den Begriff der Hybridisierung durch die Auseinandersetzung mit dem Begriff der Aufpfropfung konturiere. Während die Hybridisierung primär als ‚Verschmelzungsfigur‘ in Dienst genommen wird, erscheint die Aufpfropfung – etwa im Kontext von Derridas Schriftkonzept oder von Genettes Intertextualitätsmodell – als Figur für parasitäre Abhängigkeitsverhältnisse, bei denen jedoch – anders als bei der Hybridisierung ‒ die Differenzqualität der zusammengefügten Elemente erhalten bleibt.

Ziel des Projekts ist erstens eine Untersuchung der systematischen und historischen Konstellationen, in denen Hybridisierung und Aufpfropfung als komplementäre Wissensfiguren in Dienst genommen wurden und werden, um medizinische, mediale, kulturelle, poetische und epistemische Verhältnisse zu beschreiben. Zweitens sollen die dabei implizierten Natur- und Kulturvorstellungen herausgearbeitet werden, und zwar mit Blick auf die Frage, wie sich Hybridisierung und Aufpfropfung im Spannungsfeld von Kultivierung und Kulturalisierung verorten lassen.