Entwicklungsdiskurse und -praktiken von „Arab Aid“: Das Beispiel Katar
Abstract
Im Bereich der internationalen Entwicklungszusammenarbeit wird seit einigen Jahren eine Debatte über „neue Geber“ (new bzw. emerging donors) geführt. Diese Debatte, in der Geberländer mit so unterschiedlichen Profilen wie China, Venezuela, Brasilien oder Saudi-Arabien zusammengefasst werden, zeichnet sich durch eine unübersehbare Voreingenommenheit aus. Denn Hilfe aus diesen Ländern wird unter anderem als „Schurkenhilfe“ (rogue aid), „giftig“ (toxic) oder als Gefahr für Demokratie und für globalpolitische Ambitionen bezüglich guter Regierungsführung (good governance) kritisiert. Da die Forschung zu diesen neuen Geberländern und damit die Einsichten in ihre Praktiken und Strategien begrenzt sind, verhallt Einspruch gegen derartige Einschätzungen oft ungehört. Auch Reflexionen darüber, dass es sich um Kritik von Gebern aus dem politischen Norden an Gebern aus dem politischen Süden handelt und auf welche weiteren Konfliktkonstellationen dies hinweisen könnte, treten dadurch meist in den Hintergrund.
Die so genannten Non-DAC-Geberländer können anhand verschiedener Merkmale in Untergruppen kategorisiert werden. Eine Untergruppe ist die der arabischen Staaten Kuwait, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate und Katar, deren Beiträge oft unter der Rubrik „Arab Aid“ verhandelt werden. . Durch die hohen Renditen aus der Ölförderung waren diese Staaten bereits in den 1960-1970er Jahren in der Lage, praktische Entwicklungshilfe zu leisten, auch wenn ihr Engagement in finanzieller Hinsicht über die Jahre von großen Schwankungen gekennzeichnet war.
Das Promotionsprojekt konzentriert sich auf Katar als aufstrebenden Akteur der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Es will die diskursiven Felder identifizieren, in denen sich Entwicklungsprojekte von katarischen Organisationen bewegen. Das Promotionsprojekt verfolgt dabei einen nicht-normativen und explorativen Ansatz: Statt existierende Entwicklungstheorien am Geberverhalten Katars zu testen, versucht es, die in Katar existierenden Konzepte von Entwicklung aus dem Reden über Entwicklung und dem Handeln offizieller Vertreter Katars, Experten und Aktivisten herzuleiten. Diese könnten dann den diversen Theorien und Entwicklungsstrategien der internationalen Entwicklungszusammenarbeit gegenübergestellt werden, um Katar als Akteur der internationalen Entwicklungszusammenarbeit zu verorten. Es sollen zu diesem Zweck staatliche und quasi-staatliche Organisationen sowie private Akteure wie Philanthropen, säkulare NGOs und islamische Wohlfahrtsinstitutionen in Katar betrachtet werden.
Da sich das Projekt an einer Schnittstelle zwischen Forschung zu internationaler Entwicklungszusammenarbeit einerseits und zu islamischer Wohlfahrtspraxis andererseits verortet, ist es ein zusätzliches Anliegen, die regionalen kulturellen Einflüsse auf mildtätiges Geben und Entwicklungshilfe zu berücksichtigen. Das verstärkte entwicklungspolitische Engagement arabischer Geberländer sowie ihr Bemühen, ihre Entwicklungszusammenarbeit jenseits islamisch-religiöser Konnotationen zu begründen, gibt Anlass zur Frage, ob Wohltätigkeit, humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit im Lichte der Ereignisse um und nach den Anschlägen vom 11. September 2001 im politischen wie im gesellschaftlichen Diskurs einem Prozess der Säkularisierung oder Neutralisierung unterworfen werden.