Die Zeit der Reformation
Mediale Konfigurationen eines historischen Ereignisses und seiner Geschichte
Abstract
Thema des Forschungsprojekts ist die reformationsgeschichtliche „Zeitenwende“. Eine Zeitenwende, so die These, stellte die Reformation in zweierlei Hinsicht dar: Sie markierte zum einen seit Luthers „Thesenanschlag“ 1517 eine Wende zur Zeitlichkeit der theologischen Erkenntnisbildung durch den im Namen des Gotteswortes herbeigeführten Bruch mit der mittelalterlichen Tradition. Im Gegensatz zur überkommenen Ordnung der Aufbewahrung und Repetition des theologischen Wissens koppelte die Reformation die Wahrheit des Gotteswortes an die Epistemologie des Ereignisses, insbesondere des Bekenntnisereignisses. Theologische Wahrheit bekam dadurch einen Zeitindex, der auf der Ebene der (Selbst-)Beobachtung immer wieder eingeholt werden musste. Damit zusammenhängend, und dies ist der zweite Aspekt der reformatorischen „Zeitenwende“, entstand im Zuge der Reformation eine Wende zur Zeitlichkeit des historischen Geschehens, die in der drucktechnisch ermöglichten Permanenz der Berichterstattung und Selbstbeobachtung prozessiert wurde. Geschichte wurde zu einem konstitutiven Aspekt theologischer Geltungsansprüche.
Im Kontext des mediengeschichtlichen Umbruchs des 16. Jahrhunderts lässt sich die Zeitenwende als epistemologisches Prinzip der Reformation damit in einem umfassenden Sinne beschreiben. Ausgehend von der (Wieder-)Entdeckung des Gotteswortes brachte sich die Reformation selbst als historisches Ereignis hervor, beobachtete sich unter der Perspektive ihres Geschehnischarakters und schloss sich schließlich 1580 mit dem Konkordienbuch historiographisch selbst ab. Auf der Basis der Auswertung theologischer, zeitdiagnostischer und historiographischer Quellen entwickelt das Projekt eine Perspektive auf Reformationsgeschichte zwischen 1517 und 1580 unter dem Aspekt der Medialität und Semantik historischer Zeiten.