Universität KonstanzExzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“

Das Schwert hinter dem Kaiser. Der Prätorianerpräfekt im Prinzipat

Fabian Seith

Abstract

Die tatsächliche Macht des römischen Prinzeps beruhte auf einem gewissermaßen irregulären Apparat. Zwar war der Herrscher faktisch der Oberkommandierende der römischen Armee, doch war diese ausschließlich an den Grenzen stationiert, d.h. in erheblicher Entfernung zu Italien und der Hauptstadt. Seit den Bürgerkriegserfahrungen des ersten Jahrhunderts v Chr. war Italien demilitarisiert und blieb dies auch nach der Errichtung der Alleinherrschaft durch Augustus – mit einer entscheidenden Ausnahme: den Prätorianern als kaiserlicher Garde mit etwa 4500 Mann. Deren Kommandostruktur musste unter den Bedingungen des Prinzipats ein erhebliches Problem darstellen. Wurden alle ähnlich großen Verbände (Legionen) außerhalb Ägyptens durch senatorische Kommandeure befehligt, waren der bzw. die Befehlshaber der Prätorianer meist nur Angehörige des Ritterstandes. Hier zeigt sich daher die Prekarität einer Position, die einerseits für die Stabilität des Systems entscheidend war, andererseits aber nicht mit adäquatem sozialem Rang ausgestattet werden konnte.

Die Funktionsweise dieses Apparats in Relation zum Herrscher angemessen zu beschreiben ist das Ziel des Dissertationsvorhabens. Das Amt und die Rolle des Prätorianerpräfekten sollen einerseits in struktureller Hinsicht und andererseits in charismatischen Einzelfällen analysiert werden. Dabei wird es sowohl um die Konjunkturen des Einflusses des „Schwerts hinter dem Kaiser“ als auch um seine Besetzungsregeln gehen. In besonderem Maße aussagekräftig für die Regelhaftigkeit und Ausnahmequalität der Position sind die existenziellen Konflikte, die sich bei Sukzessionen und inneren Verwerfungen auftun.

Das Amt des Prätorianerpräfekten liegt genau an der für das römische Prinzipat charakteristischen Sollbruchstelle zwischen faktischer (militärischer) Macht und unterdeterminierter Legitimation, die für die Hierarchiebildung im Rom der Kaiserzeit konstitutiv war.

Um diese Sollbruchstelle und damit das Wesen des Prinzipats näher fassen zu können, wird für das Projekt ein Vorgehen in drei Schritten angestrebt. In einem ersten Großabschnitt gilt es zunächst, die Funktion des Amtes unter strukturellen Fragestellungen zu fassen. Hierbei werden sowohl Besetzungsprinzipien (bspw. Kollegialität, Besetzung mit Rittern) als auch Aufgabenfelder und Machtumfang untersucht und ein erster Versuch unternommen, die Bedeutung des Präfekten und seiner Garde für das Prinzipat zu beschreiben.

Die Entwicklung der Prätorianergarde aus ihren republikanischen Vorläufern wird bis zu ihrer systematischen Umorientierung unter Augustus nachgezeichnet. Für diesen Abschnitt wird neben literarischen Quellen auf epigraphisches und prosopographisches Material zurückgegriffen, das Karrieren und soziale Herkunft der Präfekten und Prätorianer beleuchtet. Der erste Teil der Arbeit beschäftigt sich damit vornehmlich mit denjenigen Aspekten der Prätorianerpräfektur, zu denen die historiographischen Quellen weitgehend schweigen. Von Geschichtsschreibern wie beispielsweise Tacitus kann man zwar grundlegende Äußerungen zum Amt erwarten, jedoch werden diese naturgemäß nur an den Stellen aufkommen, an denen die „Lautstärke“ der Kommunikation zwischen Prinzeps, Prätorianerpräfekt und Senat anschwillt.

Diese Konstellationen exemplarisch erhöhter Lautstärke sollen den zweiten Hauptteil der Arbeit bilden. Dazu werden sieben Fallbeispiele (Sejan, Burrus, Titus, Perennis, Plautian, Macrinus) analysiert, die den Zeitraum von der Regierungszeit des Tiberius bis zum Tod des Caracalla 200 Jahre später umfassen. Jede Einzelanalyse beschreibt neben der jeweiligen Einzelsituation und den individuellen personellen Konstellationen auch eine spezielle Konfiguration der römischen Alleinherrschaft und die Rolle, die der Prätorianerpräfekt im System und im Diskurs spielt. Dabei wird nach den spezifischen Handlungsspielräumen des Präfekten und den Charakteristika der Monarchie im Betrachtungszeitraum zu fragen sein. Dieses Unterfangen muss immer unter der Prämisse stehen, dass die behandelten Präfekten exzeptionelle Erscheinungen waren, die gerade deshalb von den literarischen Quellen prominent erwähnt werden.

Im dritten Arbeitsschritt soll der Versuch unternommen werden, die ersten beiden Schritte auszuwerten und zu systematischen Aussagen zum Verhältnis des Prätorianerpräfekten mit Kaiser und Senat und der Entwicklung desselben zu gelangen.

Abschließend soll der Frage nach der Rolle des Prätorianerpräfekten im Diskurs über den Kaiser Beachtung geschenkt werden. Dabei lässt sich zeigen, dass der praefectus praetorio speziell in der historiographischen Beschreibung prekärer Ausnahmesituationen (z.B. junger oder abwesender Kaiser) eine privilegierte Figur der Bewertung darstellt. Diese Konstellationen sollen, gewissermaßen in einer Meta-Perspektive, strukturell auf das Verhältnis Kaiser-Prätorianerpräfekt rückprojiziert werden.