Metaphorik in Bildern der Frühen Neuzeit
Maria, Kleopatra und die Königin von Frankreich
Abstract
Das Projekt widmet sich der semantischen und der kulturellen Dimension von bildsprachlichen Operationen, die in ihrem kognitiven Kern metaphorische Übertragungen darstellen oder – wie bestimmte metonymische Verschiebungen – mit solchen verknüpft sind. Am Beispiel erklärungsbedürftiger machtvoller Frauenfiguren, der Himmelskönigin Maria, der „Hurenkönigin“ Kleopatra und der zwischen diesen Polen visuell verhandelten französischen Königin Maria de’ Medici soll der Einsatz derartiger bildrhetorischer Verfahren als Mittel der Zuschreibung von Eigenschaften, der Überzeugung und Erklärung, aber auch – hinsichtlich die letzten beiden – der Eingliederung in den kollektiven Bildhaushalt untersucht werden. Dabei versteht sich das Projekt auch als Grundlagenforschung im Hinblick auf die Möglichkeiten der Implementierung verschiedener metaphertheoretischer Erkenntnisse in die kunstgeschichtliche Analyse figurativer Bilder.
Metaphorik (im Sinne einer anschaulich gestifteten Übertragung von Eigenschaften einer Sache oder Person auf eine andere) und Metonymie (vor allem verstanden als Verschiebung, d.h. als Korrelat eines Denkens der Kontiguität) stehen als Operatoren einer flexibler werdenden frühneuzeitlichen Bildsprache im Fokus der Arbeit. Sie können Bildaussagen gleichermaßen erweitern wie präzisieren. Dabei sind so verschiedene Mittel wie Farbbezüge, Formanalogien, suggestive Kompositionen etc. zu berücksichtigen, die von der Kunstgeschichte – mit Ausnahme von Figurenzitaten – klassischerweise weitaus weniger routiniert als semantische Größen wahrgenommen werden als konventionale Symbolik oder das von der zeitgenössischen Kunsttheorie privilegierte Erzählen durch handelnde Körper. Entsprechend wenig wurde bislang über die kognitiven, affektiven und epistemologischen Dimensionen solcher Operationen nachgedacht. Noch weniger etabliert als die hermeneutische Berücksichtigung solcher bildsprachlicher Verfahren selbst ist ihre Verknüpfung mit Metaphertheorie; es gibt keinen verbindlichen bzw. operationalisierten Metapherbegriff im Fach, was mit medialen Differenzen zwischen Bild und Text ebenso zu tun hat wie mit einem vielgestaltig-diffusen Konzept des „Symbolischen“. Hier gilt es, konsensfähige theoretische Grundlagen zu schaffen, um die zahlreichen Einsichten in die Wirkweisen und Implikate der Metapher, die in anderen Disziplinen gewonnen wurden, für eine kulturwissenschaftlich angelegte Kunstgeschichte fruchtbar zu machen.
Ziel der Arbeit an den Beispielen ist es nicht zuletzt, das Zusammenspiel festen kollektiven Wissens mit je einzigartigen, kreativen Formen „übertragender“ pikturaler Sinnstiftung im figurativen Bild neu auszuloten. Insbesondere metaphorische Strategien des Bildes bedienen sich der konventional abgesicherten Bedeutung von ikonographischen Typen und Dingsymbolen variabel und selektiv. In der Übertragung oder Modifikation bringen sie zum Teil selbst neue, weiter zirkulierende Typen hervor. Zu erinnern ist an die Einsicht von Max Black, dass am Verstehen metaphorischer Äußerungen Stereotypen entscheidend beteiligt sind. Der erklärte Anspruch der frühneuzeitlichen Bilder, die Betrachter ethisch-moralisch zu unterweisen, sich als Exempla und Denkbilder in einer Epoche anzubieten, deren Episteme von Typus- und Analogiedenken geprägt wird, ist durchaus ernst zu nehmen.
Die Besonderheiten eines stark patriarchal geprägten Repräsentationssystems lassen die Konstellation der machtvollen Frau zu einem besonders geeigneten Gegenstand der Analysen werden. Entsprechend stehen drei Königinnen im Fokus: Mit Maria eine jenseitige und vorbildliche, der Prototyp der erklärungsbedürftigen machtvollen Frau. Mit Kleopatra eine aus der Zeit der klassischen Exempla stammende und höchst verrufene, sowie schließlich mit Maria de‘ Medici eine zeitgenössische, die im imaginären wie ikonographischen Spannungsfeld der beiden anderen verhandelt wird.
Marienbilder und deren spezifische textile Rhetorik der Vermittlung und Teilhabe ermöglichen in besonderer Weise die Frage nach der Kleidung als Ort einer Überlagerung von konventioneller Symbolik und metonymischen wie metaphorischen Prozessen. An ihnen lassen sich zudem die Dynamiken der Visualisierung von präexistierender sprachlicher Metaphorik erörtern.
Frühneuzeitliche Darstellungen der Kleopatra – für die es praktisch keine mittelalterliche Darstellungstradition gibt – provozieren in besonderem Maße die Frage nach der modifizierten Übertragung von ikonographischen Schemata, die eng mit Stereotypen korrespondieren. Dazu tritt als Besonderheit die notwendige bildmetaphorische Spezifikation eines überdeterminierten Symbols, wie es die überaus beliebte Schlange als ihr Attribut darstellt. Die Gestaltbarkeit der Schlange, ihre formale Nähe zu Waffen, Haarlocken, Armreifen bzw. Fesseln etc. bietet sich präzisierenden metaphorischen Aussagen als Medium besonders an.
Rubens‘ Zyklus über Maria de‘ Medici demonstriert (historien-)bildspezifische Darstellungsstrategien exemplarischen Handelns im Zusammenspiel und Widerstreit mit Verfahren der übertragenen Zusprechung bestimmter Eigenschaften, z.B. durch mythologische Verweise. Solche Friktionen zwischen Handlung und Uneigentlichkeit scheinen nicht zuletzt bedingt durch eine geschlechtsspezifische auferlegte Passivität der repräsentierten Regentin – bestimmte Formen innerbildlicher Übertragung dürften also unmittelbar mit genderspezifischen Repräsentationsstrategien korrelieren. An diesem Beispiel lässt sich zudem bevorzugt der diffuse Grenzverlauf zwischen Metaphorik und Allegorie ausloten.