Umweltgerechtigkeit
Soziale Verteilungsmuster und Akzeptanzschwellen lokaler Umweltbelastungen
Abstract
Mein sechsmonatiger Forschungsaufenthalt am Kulturwissenschaftlichen Kolleg Konstanz steht in Zusammenhang mit einem größeren und sich in der Antragsphase befindlichen Projekt, bei dem es im Wesentlichen um Analysen des „sozialen Gradienten“, d.h. um schichtspezifische Unterschiede der Verteilung von Umweltbelastungen in städtischen Ballungsgebieten geht. Diese Analysen sollen vor dem Hintergrund des Konzepts der Umweltgerechtigkeit erfolgen.
Erstens möchte ich während meines Aufenthalts in Konstanz ein Aufsatzmanuskript ausarbeiten, in dem die „environmental justice“-Forschung, die in den 1980er Jahren in den USA ihre Anfänge nahm und dort eine ganze Reihe von empirischen Studien in Gang gesetzt hat, systematisch und kritisch reflektiert wird. Dabei möchte ich mich eingehender, als es mir bisher möglich war, mit den begrifflichen und theoretischen Grundlagen des Umweltgerechtigkeitskonzepts befassen und dies an meine bisherige Forschung zur Umweltproblematik anbinden. Welche Deutungen von Umweltgerechtigkeit sind in der bisherigen Umweltforschung dominierend? Gibt es weitere und eventuell sinnvollere Lesarten? Ist der Rekurs auf Gerechtigkeit mehr als eine auf Konsens und Integration abzielende Leerformel? In welcher Form lassen sich abstrakte Gerechtigkeitskonzepte in Erhebungen abbilden und damit empirisch zugänglich machen? Unter welchen Bedingungen wird es wahrscheinlicher, dass ungleiche räumliche Verteilungen von Umweltbelastungen auf der gesellschaftspolitischen Ebene in „justice claims“ münden? Die Auseinandersetzung mit diesen und ähnlichen Fragen erfordert auch ein noch genaueres Studium der wissenschaftlichen Literatur um divergierende Gerechtigkeitskonzepte. Speziell an dieser Stelle erwarte ich mir Anregungen, einen belebenden Diskussionskontext und eventuell auch konkrete Kooperationsmöglichkeiten am Kulturwissenschaftlichen Kolleg.
Zweitens soll – parallel zur genuinen (in diesem Fall begrifflich-theoretischen) Forschungsarbeit – ein bereits fortgeschrittener Antrag auf ein größeres empirisches Projekt in diesem Bereich fertig gestellt werden. Das Vorhaben trägt den Arbeitstitel: „Umweltgerechtigkeit – Schichtspezifische Unterschiede in der Betroffenheit und Akzeptanz von Umweltbelastungen“ und erstreckt sich auf die drei städtischen Agglomerationen Mainz, Zürich und Hannover. Seine Besonderheit besteht darin, dass die Umweltbelastungen der Bürger/innen nicht nur in der subjektiven Wahrnehmung (per repräsentativer Städtebefragungen) erhoben werden sollen, sondern auch „objektiv“. Letzteres dergestalt, dass die Wohnadressen der Befragten georeferenziert werden (GIS-Codierung) und den GIS-Koordinaten dann objektive Umweltbelastungskennziffern (auf der Grundlage extrem feingliederiger Kartensysteme für Belastungen wie Lärm, NO2 und Feinstaub) zugespielt werden. Hier wäre mir sehr daran gelegen, auch Konstanzer Kolleginnen und Kollegen als Kooperationspartner gewinnen zu können.