Universität KonstanzExzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“

Glorious Revolution und unnatural rebellion

Britische Konzepte des gewaltsamen Aufstandes im europäischen Kommunikationsnetz des 18. Jahrhunderts

Monika Barget

Abstract

Im Rahmen der Nachwuchsgruppe „Revolten als Kommunikationsereignis in der Frühen Neuzeit“ trägt ein Blick auf die britischen Inseln und ihre eigene Entwicklung ‚am Rande des Kontinents‘ zu einem überzeugenden Gesamtbild gewaltsamer Aufstände im vormodernen Europa bei. Denn ausgerechnet die Revolten im Inselstaat England wurden auf dem Kontinent spätestens seit der Hinrichtung Karls I. mit besonderer Aufmerksamkeit beobachtet – und die Angst vor ähnlichen Delegitimierungsprozessen hat die kontinentaleuropäische Politik maßgeblich mitgeprägt.  

Die britischen Revolten speisten sich einerseits aus dem Konflikt der aufstrebenden Großmacht England mit den kulturell sehr eigenständigen Nachbarregionen Schottland, Wales und Irland. Andererseits trugen innerhalb Englands der konfliktfreudige Parlamentarismus, die politische und wirtschaftliche Bevorzugung des hauptstadtnahen Südens sowie beständige Kämpfe um die Thronfolge zu einer hohen Zahl von Verschwörungen und Rebellionen bei.

Für den englischen Kontext besonders bedeutend ist dabei, dass die Regierungen keineswegs nur auf eine Verurteilung der Rebellen bedacht waren, sondern die gescheiterten Aufstände gezielt für ihre Propaganda und Herrschaftssicherung nutzten. Indem Revolten als Gefahr für das gesamte Gemeinwesen bezeichnet wurden, konnten die Regierenden an ein proto-nationales Zusammengehörigkeitsgefühl appellieren, das man in England schon zur Zeit der Reformation entwickelt hatte.  

Die Untersuchung der Kommunikation in und über Revolten in Großbritannien und Irland geht ferner davon aus, dass die zeitgenössischen Begründungen für oder gegen Revolten keineswegs einseitig und statisch blieben, sondern immer wieder mit den aktuellen Diskursen der Rechtslehre, Philosophie und Theologie in einem innovativen Austausch standen. So konnte sich das öffentliche Bild des Rebellen als eines zerstörerischen Feindes der althergebrachten Ordnung schließlich über das Bild des ungebildeten Fortschrittsverweigerers hin zum modernen Ideal des mutigen Oppositionellen wandeln. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts griff nämlich die verbreitete Kritik an Revolten verstärkt die Frage auf, welche Fehler der Eliten überhaupt zu den Umsturzversuchen geführt hatten.

Quellen für die Selbstwahrnehmungen und Feindbilder beider Parteien sind neben frühen Zeitungen und gedruckten Stellungnahmen der Beteiligten damals unveröffentlichte Briefe, Tagebücher und Gesprächsprotokolle. Für die gezielte Anti-Revoltenpropaganda der englischen Krone sind besonders Gesetzestexte und Predigten aufschlussreich. Aber auch die Wahrnehmung britischer Revolten im Ausland ist uns durch fremdsprachige Drucke in England oder Botschafterberichte zugänglich.

Darüber hinaus wird sich das Forschungsprojekt insgesamt sehr intensiv mit bildlichen Darstellungen von Rebellen und Revolten befassen. Die Analyse britischer und irischer Quellen kann hier ebenfalls einen wichtigen Beitrag leisten, da sowohl die Bürgerkriege des 17. Jahrhunderts als auch die Jakobitenrevolten des frühen 18. Jahrhunderts eine Fülle illustrierter Drucke und kleinformatiger Gemälde angeregt haben. Neben den populären Predigten waren die Bilder – allen voran die günstigen Einblattdrucke – für die Beteiligung wenig gebildeter Schichten am politischen Leben unabdingbar. Da Illustrationen meist in Kombination mit Texten verbreitet wurden, bilden die Wechselwirkungen zwischen Wort und Bild ebenso wie ihre Inkongruenzen innerhalb der Publikationen einen Schwerpunkt der Arbeit.
Von den sozial und kulturell motivierten Revolten gegen die Reformation und die Machtfülle der anglikanischen Staatskirche bis hin zu den gescheiterten Putschversuchen der Jakobiten zeigt die Analyse der britisch-irischen Revoltengeschichte nicht zuletzt, dass das öffentliche Ringen um Recht und Gerechtigkeit, das Zeiten des Aufstandes in besonderem Maße prägte, wesentlich zur politischen Stabilisierung und zur Identität der europäischen Staatenwelt beigetragen hat.