Universität KonstanzExzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“

Experimentelles Subjekt und demokratische Gruppe

Zur Sozialpsychologie der Lewin-Schule

Nora Binder

Abstract

Die Erforschung der sozialpsychologischen Grundlagen von Integration ist wissenschaftshistorisch engstens mit dem jüdisch-deutschen Psychologen Kurt Lewin verbunden. Gemeinsam mit seinen Schülern führte Lewin seit den 1920er Jahren Experimente zum Verhältnis von Subjekt(ivität) und sozialer Situation, Gruppenverhalten und politischer Einstellung durch. In diesen ging es immer mehr darum, Erkenntnisse über Möglichkeiten der Modifikation subjektiver Werte und Wissensbestände zu gewinnen, die dazu dienen konnten, eine funktionierende demokratische Gesellschaft herzustellen und aufrechtzuerhalten.

Ausgehend von Lewins Versuchsanordnungen zeichnet das Projekt nach, wie die soziale Figuration der Gruppe – als eine der wichtigsten kleinen Formen sozialer Integration – zugleich wissenschaftlicher Gegenstand und Interventionsfeld wurde und so ins Zentrum der entstehenden Sozialpsychologie und ihrer potentiellen Anwendungsbereiche rückte. Gefragt wird zunächst nach der Rückkehr des Subjekts in die moderne Experimentalpsychologie und seiner gleichzeitigen Bestimmung als soziales Subjekt, wie sie in Lewins Arbeiten vor der Emigration (ca. 1920–1933) nachzuvollziehen ist.

Anhand seiner bislang kaum untersuchten, in den USA der 1930er und 40er Jahre durchgeführten Gruppenexperimente wird sodann die sozialpsychologische Erforschung der Einstellung des Subjekts innerhalb ‚demokratischer’ Gruppenprozesse und die damit einhergehende Herausbildung von (politischem) Steuerungswissen analysiert. Besonders Augenmerk gilt hierbei der von Lewin begründeten dezidiert demokratischen Form des Change Managements, die im Zusammenhang mit den berühmten Experimenten zum demokratischen und autokratischen Führungsstil erstmals erprobt wurde. Mittels partizipativer Selbst- und Fremdführungstechniken, so Lewins Hoffnung, sollten so unterschiedliche Bevölkerungsgruppen wie z.B. Pfadfinder, Hausfrauen, Stadtbewohner, Alkoholiker oder Soldaten gleichermaßen zu einer Änderung und Anpassung ihres Verhaltens bewegt werden können. Solche als Umerziehungs- bzw. Veränderungsexperimente bezeichneten Versuche und ihre demokratischen Wahrheitspolitiken stehen im Zentrum des Dissertationsvorhabens.