Homo possidens?
Die Individualisierung und beginnende Anthropologisierung von Besitz und Besitzstreben im England des 17. Jahrhunderts
Abstract
Das Projekt untersucht die Genese des possessive individual bzw. des homo possidens als Vorstufe der Figur des homo oeconomicus. Es analysiert die konkreten historischen Bedingungen und Entwicklungen, aufgrund derer sich dieses Anthropologem im England des 17. Jahrhunderts gegenüber anderen Menschenbilder durchsetzen und verfestigen konnte. Konkret bedeutet dies, anhand vornehmlich utopischer Schriften dem Wandel des christlich-negativen Verständnisses der Sündhaftigkeit irdischen Besitzes und Besitzstrebens während der Phase der Instabilität und Transformation politischer und kultureller Institutionen, Strukturen und Denkmuster hin zu deren säkular-positiver Deutung als gemeinnützige Norm nachzugehen.
Ausgehend von der Annahme, dass das Aufbrechen bestehender soziokultureller Episteme die Grenze des Sagbaren erweiterte und eine heterogene Auslotung möglicher normativer Definitionen erlaubte, soll im Gegensatz zu Max Webers „unwiderlegbare Fehlkonstruktion“ (Steinert 2010) der Erklärungsansatz nicht indirekt aus einer idealtypischen Konstruktion der protestantischen Berufsethik abgeleitet, sondern anhand empirischer Gesellschaftsentwürfe im unmittelbaren Diskursfeld utopischer wie konkreter bzw. antizipierender Menschenbilder entwickelt werden.