Bewusstseinskulturen
Historische Konstellationen zwischen Neoschamanismus und Bewusstseinsforschung, 1950-1990
Abstract
Gegenstand des Projekts ist der westliche Neoschamanismus und die neuen Kulturen des Bewusstseins, die sich in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts ausgebildet haben. Die Studie zeichnet nach, wie unter Berufung auf schamanisches Wissen ein weitläufiger Graubereich der Bewusstseinsforschung entstand, in dem nach den Möglichkeiten erweiterter Bewusstseinszustände geforscht und diese Suche mit Prophezeiungen einer bevorstehenden Bewusstseinsrevolution verbunden wurde. Neoschamanismus stellt damit nicht nur eine alternativ-religiöse Praxis dar, sondern ist in umfassenderer Weise als Arbeit am Bewusstsein des Westens zu begreifen. Es geht um Lockerungsübungen an der westlichen Realitätsauffassung und den Epistemologien des Westens, um das Versprechen auf Heilung, Ganzwerden, eine Wiederverbundenheit mit dem Kosmos und die Symmetrisierung mit dem kolonialisierten Anderen. Neoschamanismus fungiert dabei (1.) als eine Sinnstruktur, mit deren Hilfe die Selbsterzählungen der Moderne modifiziert und konterkariert werden. Er wurde (2.) zum Ausgangspunkt neuer Wissenskulturen (Psychedelismus, Ethnobotanik, Anthropology of Consciousness), in denen das neuro-chemische Wissen über Bewusstseinsprozesse mit dem rituellen Erfahrungswissen von Schamanen vermittelt werden soll. Und er hat (3.) ein umfängliches Gebiet der Ratgeberliteratur erzeugt, worin der „Schamane“ zur Leitfigur für alltagstaugliche Mentaltechniken wird. Indem sie diesen Verzweigungen nachgeht, erbringt die Studie einen kultur- und wissensgeschichtlichen Beitrag zu den Bewusstseinskulturen in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts.