Praktiken transnationalen Erinnerns
Eine Analyse der Rezeption des Zweiten Weltkriegs in digitalen Geschichtsportalen
Abstract
Im Zeitalter der globalen Vernetzung verändern sich die Kanäle des Informationsaustauschs im Rahmen von Erinnerungsprozessen. Die sozialwissenschaftliche Forschung zum Thema Kommunikation im Internet hat zwei Interpretationen der Gruppendynamik im virtuellen Raum hervorgebracht. Zum einen wird das Internet als zentrales Medium der Globalisierungsepoche gedacht, das pluralistische Entwicklungen in Gang setzt, indem es als Plattform für Diskussionen zwischen Akteuren mit verschiedenen Sichtweisen dient. Einige Forscher sprechen von Synchronisierung der Vorstellungen als Folge dieser Konfrontationen.
Die andere Interpretation betont dagegen, dass Akteure, die ohnehin ähnliche Meinungen vertreten, online zueinander finden und sich bestärkt fühlen, was früher aufgrund von u.a. geografischer Entfernung nicht möglich gewesen wäre. Im Falle von Gruppen, die bestimmte Interpretationen von Geschichtsereignissen als konsolidierende Grundlage sehen, wird von ‚homogenen Erinnerungsgemeinschaften‘ gesprochen, die nicht selten nationalistische Züge aufweisen.
An diesen Interpretationen der Kommunikation wird sichtbar, dass das Internet die technische Möglichkeitsbedingung der Entwicklung eines transnationalen Erinnerns darstellt, ohne dass klar wäre, wie genau von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird. Entgegen der häufigen Kritik an der Erinnerungsforschung, sie würde sich stets mit nationalen Narrativen befassen, untersucht das Forschungsvorhaben das Potential des Mediums Internet im Hinblick auf Transnationalisierung der Erinnerungsdiskurse über den Zweiten Weltkrieg anhand von digitalen Geschichtsportalen.