EU-Demokratieförderung im Westlichen Balkan – Interaktion statt Hierarchie
In meiner Forschungsarbeit untersuche ich die Gründe für die mangelnde Effektivität internationaler Demokratieförderung, um den Transitionsverlauf und die Transitionsergebnisse in Postkonfliktgesellschaften zu verstehen und zu erklären. Das hier geplante Projekt fokussiert speziell auf die Interaktion interner und externer Akteure während der Demokratisierung von Postkonfliktgesellschaften.
Bisher geht die Forschung davon aus, dass Demokratieförderung im Allgemeinen ein hierarchisches Unterfangen ist: externe Akteure geben Normen wie Demokratie, Rechtstaat, und politische Partizipation vor und gewähren finanzielle oder personelle Unterstützung für die Demokratisierung und den Staatsaufbau, sofern interne Akteure die benannten Normen implementieren. Diese Form der politischen Konditionalität gehe, so die Literatur, mit politischen Zwängen für die internen Akteure einher, denen wenig Spielraum für die Implementation und die Anpassung an lokale Kontexte gewährt würde.
Die vorhandene Literatur impliziert, dass externe Akteure aktiv Normen vorgeben und interne Akteure diese passiv empfangen und anwenden. Sofern sich interne Akteure dem verweigern, führt die Demokratieförderung nicht zum Erfolg und wird als „nicht effektiv“ eingestuft, weil interne Akteure („Spoilers“) gegen die Demokratieförderung Widerstand leisteten. Entsprechend werden die Regierungen des Westlichen Balkans von vielen Experten für die ausbleibende Konsolidierung der Demokratie gerügt.
Meines Erachtens ist diese Argumentation verkürzt, beruht auf einer falschen Beschreibung der Beziehung zwischen externen und internen Akteuren und missinterpretiert die legitimen Präferenzen interner Akteure. Ich werde in meiner Arbeit zeigen, dass Demokratieförderung nicht als hierarchische, sondern als interaktive Beziehung zwischen externen und internen Akteuren verstanden werden sollte. Beide Seiten bringen Vorstellungen über zu implementierende Normen und Institutionen, über Verfahren und zu erzielende Ergebnisse ein. Die Art der Reform, die Umsetzung der Reform und Interpretation der Ergebnisse der Reform werden in meiner Lesart zwischen internen und externen Akteuren verhandelt, wobei beide Seiten gleichermaßen ihre Präferenzen umzusetzen versuchen und durch Kontextbedingungen beschränkt sind.
Ich gehe davon aus, dass während der Demokratisierung ein permanenter Aushandlungs- und Anpassungsprozess zwischen internen und externen Akteuren stattfindet, bei dem beide Seiten ihre Präferenzen verändern. Missverständnisse, Fehlinformationen, Unwissen und administrative Zwänge auf beiden Seiten des Interaktionsprozesses beeinflussen den institutionellen Wandel und führen zu unvollständigen Reformen und damit zum Ausbleiben von Demokratisierungserfolgen. Die Demokratieförderung zeitigt nicht das von externen Akteuren gewünschte Ergebnis einer konsolidierten Demokratie, sondern das von externen Akteuren ungewünschte Ergebnis einer unvollständigen Demokratisierung und der Stabilisierung hybrider, halb demokratischer, halb autokratischer Institutionen.
Verkürzt könnte man sagen, dass die Demokratieförderung nicht effektiv ist. Diese Diagnose verkennt jedoch die komplexen Dynamiken der Interaktion interner und externer Akteure während der Demokratisierung. Zudem sollte man nicht der Fehlwahrnehmung erliegen, dass interne Akteure „anti-demokratisch“ oder „unwillig zur Reform“ sind. Vielmehr sind sie ihrerseits Zwängen unterworfen. Sie haben andere Vorstellungen über die Ausgestaltung der Institutionen und den Reformprozess als externe Akteure, sie sind ihrem nationalen Elektorat verantwortlich, müssen sich gegenüber potentiellen internen Vetospielern behaupten oder verfolgen partikulare Interessen. Dies findet Eingang in den Interaktionsprozess mit externen Akteuren und sollte entsprechend ein einer systematischen Analyse berücksichtigt werden.
Kurz gesagt: Mein hier geplantes Forschungsprojekt hat zum Ziel, die Interaktion zwischen internen und externen Akteuren in der Demokratisierung zu beschreiben, deren Dynamiken aufzudecken und damit die Ergebnisse von Demokratieförderung zu erklären. Damit lassen sich dann auch Empfehlungen für eine effektivere oder zumindest für eine sensiblere Demokratieförderung formulieren, die sich lokaler Zwänge und Dynamiken bewusst ist und diese in die Planung und Gewährung von Demokratieförderung einbezieht.
Den genannten Zusammenhang werde ich anhand eines Fallvergleichs zu den Transitionsprozessen in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens in zwei Reformbereichen (Verwaltungsreform, Minderheitenrechte) und den dazugehörigen Interaktionsprozessen zwischen der Europäischen Union (EU) und den jeweiligen nationalen Regierungen nachweisen.