Betrug und Hochstapelei in der Frühen Neuzeit
Abstract
Mundus vult decipi – Das Zitat über die Welt, die gerne betrogen werden möchten, steht symptomatisch für eine frühneuzeitliche Gesellschaft, die eine Vielzahl an ständig unter Betrugsverdacht stehenden Figuren hervorbrachte. Hochstapler, Projektemacher und Alchemisten, aber auch falsche Prinzessinnen, Propheten und Magier, all sie verfügten über die individuelle Fähigkeit, gesellschaftliche Wahrnehmung zu manipulieren und zu ihrem eigenen Nutzen zu wenden.
Der Betrüger wird hier als die paradoxe Personifizierung sozialer, gesellschaftlicher Normalität verstanden, welche auf Unsichtbares wie das Verhältnis von Wissen und Nicht-Wissen oder Vertrauen und Erwartung verweist. Er operiert mit imaginiertem aber möglichem Wissen, dass sich unter dem Siegel von Informationszugewinn in bestehende (Wissens-)Verhältnisse einfügt. Als Effekt wird Komplexität reduziert und über Sinnproduktion Stabilität gestiftet. Das bedeutet, dass der Betrüger bis zu seiner Entdeckung ein Mehrwert für die betrogene Gesellschaft ist. Und auch, dass sein Erfolg zeitlich an das Vertrauen seiner Opfer gebunden ist.
Die Dissertation soll zur Untersuchung dieses paradoxen Verhältnisses einen Beitrag leisten, indem es ausdrücklich nach der Ordnungsleistung von Wissen fragt. Epistemischer Wandel und damit einhergehende strukturelle Veränderungen von Gesellschaft werden über Betrug als Reflexionsmedium dieser Veränderung sichtbar. Der realhistorische Rahmen en gros wird durch die Entwicklung von europäischer Expansion und Aufklärung dergestalt gebildet, als dass beide Prozesse Entdeckung und Umgang von (Wissens-)Welten fordern und gleichermaßen nach sich ziehen und die Entstehung von Räumen generieren, die vorrangig als Räume des Wissens zu konditionieren sind. Aus der Fragilität dieser Wissenswelten erwächst der Nährboden der Betrüger, welche zentraler Bestandteil des Quellenmaterials sind.