Universität KonstanzExzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“

An den Grenzen des Konsenses

Römische Beutepraxis und inneraristokratische Konkurrenz (212–146 v. Chr.)

Philipp Axel Flaig

Abstract

Die römische Republik wurde in der Phase zwischen der Eroberung von Syrakus (212 v. Chr.) und der Zerstörung Korinths (146 v. Chr.) nicht nur durch große Siege in auswärtigen Kriegen geprägt, sondern auch durch auffällige innenpolitische Sanktionierungsversuche ausgerechnet der erfolgreichsten Feldherren. Bisherige Forschungsansätze deuten diese Konflikte weitgehend statisch und undifferenziert als Ausdruck eines konstanten Konkurrenzkampfs der stadtrömischen Nobilität um Ehrenämter und Sozialprestige. Die Ursachen und vor allem die situativen Dynamiken der sich stetig verschärfenden Auseinandersetzungen des zweiten und ersten Jahrhunderts v. Chr. bleiben dabei allerdings unterbelichtet.
Das Dissertationsprojekt versucht die Analyse dieses Problems auf eine neue, strukturelle Basis zu stellen, indem es Beuterecht und Beutepraxis der römischen Republik als Erklärungsansatz sowohl für den Konkurrenzkampf als auch für das Phänomen seiner Verdunkelung vorschlägt.

Schon seit der römischen Frühzeit war der Umgang mit Beute ein kulturspezifischer Ausnahmefall: Die Verfügungsgewalt über die im Krieg erzielten Gewinne war das Monopol der militärischen Oberbefehlshaber und nicht etwa die Hoheitsaufgabe staatlicher Lenkungsorgane. Mit dem expansiven Ausgreifen Roms auf das reiche Süditalien, auf Spanien und insbesondere auf Griechenland und Kleinasien änderte sich allerdings die Qualität dieser Konstellation, denn die potentiell erreichbaren Beutemengen erhöhten sich um ein Vielfaches. Das hatte, so die Annahme, massive Konsequenzen für die Binnenstruktur und die Standessolidarität der römischen Nobilität.

Jeder Senator, der ohne ein lukratives Kommando geblieben war, musste befürchten, aufgrund der potenzierten Mittel der siegreichen Feldherren im meritokratischen Wettbewerb abgehängt zu werden. Beachtenswert ist dabei allerdings, dass das Problemfeld „Beute“, obwohl es offenkundig so problematisch war, nicht offen verhandelt, geschweige denn Regeln unterworfen werden konnte. Stattdessen finden sich Invektiven und förmliche Anklagen gegen erfolgreiche Feldherren, die moralische Fragen in den Vordergrund spielen, und eine Gesetzgebung, die sich an der Verwendung von Geldmitteln im römischen Kontext abarbeitet. Damit wurden aber lediglich Epiphänomene verhandelt, die eigentliche Hauptsache, die Beutefrage, blieb hingegen im Hintergrund.

In diesem Sinne widmet sich die Arbeit einer Rekonstruktion des in der Regel verdeckten Sprechens über die römische Kriegsbeute, das jeweils transformiert in zahlreichen Metadebatten und Konflikten präsent ist. So wird, ausgehend von der Beuteproblematik, ein Modell für ein besseres Verständnis der Funktionsweise römischer Innenpolitik in der Phase der mittleren Republik insgesamt entwickelt: Die Beute und ihre Nicht-Thematisierung ermöglichen den Zugang zu einer Ordnung der Diskurse, die die politische Kultur der römischen Aristokratie in diesem Zeitraum entscheidend bestimmten.