Universität KonstanzExzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“

Die Première Dame zwischen Staatsrepräsentation und Privatisierung des Politischen

Prof. Dr. Sophie Schönberger

Abstract

Das Forschungsprojekt widmet sich der politischen, rechtlichen und kommunikativen Rolle, welche die Ehepartner von Staatsoberhäuptern im Rahmen staatlicher Repräsentationsarbeit wahrnehmen. Durch ihre überkommene öffentliche Stellung, die Staatliches und Privates verwischt, werden nicht nur vor-demokratische Politik- und Repräsentationsvorstellungen in demokratischen republikanischen Gemeinwesen fortgeführt, sondern auch traditionelle Geschlechterrollen in der staatlichen Selbstdarstellung zementiert.

An kaum einer anderen Stelle vermischt sich die Sphäre des Politisch-Öffentlichem derart mit der Sphäre des Privaten wie im Amt des Staatsoberhauptes. Deutlichstes Zeichen für diese Vermischung beider Ebenen ist dabei die öffentliche Rolle, die die (Ehe-)Partner, meist die Ehefrauen, der Staatsoberhäupter ausfüllen. In der Republik bekleiden diese Frauen der Staatsoberhäupter ein Amt, das es politisch nicht gibt, das rein physisch aber überaus präsent ist. Die Verfassungen schweigen über sie. Sie werden nicht gewählt und nicht demokratisch legitimiert. Trotzdem  bringen die Präsidenten sie beim Amtsantritt meist mit ins Amt und machen sie fast zum Accessoire ihrer Amtsführung. Dort sind die „Premières Dames“ allerdings oft weit davon entfernt, nur als Begleitung der Privatperson agieren zu können. Die vielfältigen Rollenerwartungen, mit denen sie hier konfrontiert ist, betreffen meist weit mehr als den privaten Bereich und reichen weit in die Amtsführung des Präsidenten hinein. 

Dabei ermöglicht eine Betrachtung der etablierten Rolle der „Première Dame“ erhebliche Rückschlüsse auf die Stellung des Staatsoberhaupts im politischen System insgesamt. Als signifikantester Zusammenhang stellt sich dabei die Unterscheidung zwischen monarchischen und republikanischen System der Staatsleitung heraus. Eine unmittelbare Verbindung zwischen privater Stellung und staatsrechtlicher Position, wie sie letztlich durch das „Amt“ der Première Dame hergestellt wird, ist nämlich in die Idee der Monarchie fest eingeschrieben und konnte auch durch ihre parlamentarische und konstitutionelle Überformung nicht grundlegend beseitigt werden. Monarchien sind ihrer Natur nach Familienbetriebe. Sie bilden den Prototyp eines Herrschaftssystems, in dem öffentliche Funktionen an der Spitze des Staates durch Familienzugehörigkeit und nicht durch Wahl vergeben werden. In der Monarchie ist insofern nicht nur eine deutlich längere Erfahrung mit der Einbindung von Ehepartnern in die Machtausübung gespeichert. Durch die besondere institutionelle Stellung der familiären Beziehungen ist hier auch der Blick auf die entsprechenden Strukturen geschärft, die die Grenze zwischen Amt und Person auf der Ebene von Familie und Partnerschaft teilweise verwischen. 

In republikanisch organisierten Verfassungsstaaten, die ihrer Konzeption nach auch beim Amt des Staatsoberhauptes die dem liberalen Staatsverständnis grundlegende Trennung von privat und öffentlich realisieren wollen, muss hingegen eine solche Position wie die des Ehepartners des Präsidenten, die mit öffentlichen Mitteln finanziert wird und zum Teil nicht unerheblichen politischen Einfluss ausübt, notwendigerweise zu Brüchen und Widersprüchen führen. Die Rolle des Ehegatten des Staatsoberhaupts scheint so das größte monarchische Erbe moderner Republiken zu sein: eine öffentliche Funktion ohne demokratische Legitimation, ohne rechtliche und politische Verantwortlichkeit, vergeben allein aufgrund familiärer Beziehungen. Damit erweist sie sich gleichzeitig als letzter Ort einer scheinbar entpolitisierten staatlichen Repräsentation und Selbstdarstellung jenseits des politischen Streits, der vor allem über die Darstellung und  Repräsentation des Privaten erfolgt, wie sie in der monarchischen Idee fest verankert ist. 

Neben dieser starken Verwurzelung in vordemokratischen, monarchischen Vorstellungen von politischer Führerschaft und Machtausübung ist die Vermischung von staatlicher Repräsentation und Privatleben über die Figur des Ehepartners (vor allem der Ehefrau) darüber hinaus aber auch ein wenig reflektiertes, faktisch aber umso wirkmächtigeres Einfallstor für überkommene Geschlechterrollenverständnisse in der Selbstdarstellung des Staates. Denn bei allen Unterschieden im Einzelfall ist doch die Rolle des Ehepartners des Staatsoberhauptes, so sie im konkreten politischen Gemeinwesen existiert, doch fast ausnahmslos in höchstem Maße geprägt durch traditionelle Vorstellung weiblichen Verhaltens. Die wesentlichen Elemente der – auch öffentlichen Funktion – sind insofern determiniert durch Ideen von Häuslichkeit, Fürsorge und Unterstützung, Gastlichkeit und sozialem Engagement. 

Vor diesem Hintergrund will sich das Forschungsprojekt den historischen Entwicklungslinien dieses Phänomens, seinen normativen Voraussetzungen sowie seinen impliziten Auswirkungen auf gegenwärtige Repräsentations- und Politikvorstellungen widmen. Es zielt zum einen darauf, die Parallelen zwischen republikanischer und monarchischer Repräsentationsmechanismen an der Staatsspitze deutlicher herauszuarbeiten und somit weitere Erkenntnisse über Staats- und Repräsentationsvorstellungen in demokratischen Gemeinwesen zu erhalten, die ihre unausgesprochenen Wurzeln bis heute in vordemokratischen Vorstellungen von Repräsentation haben. Zum anderen will es den Gender-Aspekt der Repräsentationsfunktion der Ehepartner des Staatsoberhauptes näher beleuchten und insbesondere mit gesellschaftlichen Mustern von Geschlechterverhältnissen im Privaten und im politischen Bereich abgleichen. Darüber hinaus soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern das (Verfassungs-)Recht mit seinem grundsätzlich normativ starken Anspruch der Gleichberechtigung der Geschlechter auf diese Verfestigung ungleicher Geschlechterrollen reagiert oder sie sogar durch seinen weitgehenden Rückzug aus diesem politisch-praktisch wichtigen Bereich der Repräsentation an der Staatsspitze faktisch begünstigt.