Universität KonstanzExzellenzcluster: Kulturelle Grundlagen von Integration

Oper und Festspiele als Medien politischer Repräsentation, 1890-1930

Stephanie Kleiner

Abstract

Um die politischen Gehalte des Musiktheaters zu illustrieren, wird immer wieder auf die berühmte Brüsseler Aufführung von Daniel-Francois-Esprit Aubers Oper La Muette de Portici am 25. August 1830 verwiesen, die die Auflehnung gegen die niederländische Herrschaft befeuerte und vermeintlich zum Auslöser der Revolution, ja zum Auftakt der Unabhängigkeit Belgiens wurde. Auch jenseits dieses spektakulären Einzelfalls fragen die Kulturwissenschaften in jüngster Zeit vermehrt nach den politischen Dimensionen der Oper. Opernaufführungen und -besuche werden dabei als performative Akte innerhalb einer öffentlichen Praxis begriffen, die gesellschaftliche Ordnungsvorstellungen nicht nur widerspiegelten, sondern hervorzubringen halfen.

Das kurz vor dem Abschluss stehende Promotionsprojekt knüpft an die konzeptionellen Anregungen einer Neuen Politikgeschichte an und nimmt Motive einer historisch argumentierenden politischen Kulturforschung auf. Es untersucht Oper und Festspiele als Ressourcen politischer Sinnstiftung am Beispiel von Frankfurt am Main und Wiesbaden in der Zeit von 1890 bis 1930, also über den politischen Systemwechsel von Kaiserreich zur Republik hinweg. Anhand eines Ensembles vergleichender Fallstudien möchte die Arbeit darlegen, wie die Oper daran mitwirkte, Räume für politische Kommunikation zu strukturieren und symbolische Ordnungen zu implementieren, gegebenenfalls aber auch zu hinterfragen, ja zu dekonstruieren. Entsprechend nehmen neben einzelnen Inszenierungen vor allem architektonische und institutionelle, mit der reichhaltigen Presseberichterstattung und anspruchsvollen Musikkritik aber auch diskursive Aspekte einen breiten Raum ein. In der Promotion wird mithin versucht, eine Kunstgattung als kulturelle Ressource politischer Integration zu betrachten.

Konkret werden Jubiläen, Staatsbesuche und nationale Feier- und Gedenktage rekonstruiert, die aus dem Gesamtkomplex des kommunalpolitischen Alltags von Frankfurt und Wiesbaden herausragten. Diese Ereignisse brachten in komprimierter Form spezifische Selbstbilder sowie grundlegende politische und kulturelle Wertvorstellungen hervor. Aufwändig in Szene gesetzte Opernaufführungen waren oftmals ein wichtiger Teil dieser festlich-zeremoniellen Gesamtapparatur und bestachen vor allem durch ihre besondere Erlebnisqualität. Sie konnten zu ästhetischen Repräsentationen des Politischen avancieren, indem sie die zunehmende Komplexität politischer Weltbilder in bestimmte, auch emotional zugängliche Kernaussagen übersetzten. Die mitunter kontroverse Aufnahme einzelner Inszenierungen durch ein anwesendes Publikum und die kritische Kommentierung und Bewertung in der Presse stellten die Oper dabei in symbolpolitische Deutungskämpfe ein, die sie zu einem Gravitationszentrum politischer Kommunikation werden ließen.