Kampf um Publicity
Guerilla-Marketing oder politisches Statement?
Schmidt hinterfragt gekonnt die Etiketten, die der Kunstrichtung Street Art durchgängig angeheftet werden: Subversion, Widerstand, Rebellion, Authentizität, Straße. Ihr oft abgrenzender Bezug zur Werbung ist dabei durchaus ambivalent zu sehen. Die Akteure werden zwar oft für spektakuläre werbekritische Aktionen gefeiert (z.B. das visual kidnapping der Lavazza-Frau), doch sind sie selbst Teil des Systems: Tagsüber in der Werbebranche aktiv, verbreiten sie abends sprühend und klebend ihre Kunst.
Mit der spürbaren Faszination des teilnehmenden Beobachters beantwortet Schmidt, so viel sei verraten, die Titelfrage. Street Art sei politisch, weil die Kunstrichtung
- sich Räum aneignet und umdeutet,
- sich inhaltlich explizit äußert und
- alternative Kommunikationskanäle eröffnet.
„Wenn die Irritationen und Störungen [der Street Art] dazu beitragen, dass über Raumordnungen öffentlich reflektiert und debattiert wird, dann ist das […] per se politische Aktion oder Handlung, die über den bloßen Kampf um Aufmerksamkeit hinausgeht. Dann wird der Wettstreit um Publicity zum Kampf um die public city.“
Christian Schmidt betreibt mit Aiko Wulff die „Zeitläufer. Agentur für Ausstellungen“ in Leipzig. Zuvor war er Archivar und Referent in der politischen Bildung. 2009 hat er zusammen mit Katrin Klitzke den Band „Street Art. Legenden zur Straße (Berlin: Archiv der Jugendkulturen)“ herausgegeben.
Über die Ausstellung
Die Fotoausstellung „ARThen – auf der Suche nach Europa“ von Nora Schröder und Anna-Lena Sender zeigt Graffiti-Kunst aus Athen als Spiegel der Eurokrise.
Die Ausstellung war vom 4. November 2015 bis 26. Januar 2016 in der Bischofsvilla zu sehen.
Weitere Informationen: www.arthen.eu
Eröffnungsvortrag
Wann ist Street-Art politisch?
Von bemalten Revolutionszügen, Hiroshima-Toten und Banksys „Kissing Coppers“: Kunsthistoriker Dr. Ulrich Blanché (Heidelberg) verbindet gekonnt die historischen Wurzeln der Street Art mit politischer Grafitti im heutigen Athen. Mitschnitt des Eröffnungsvortrags zur Ausstellung „ARThen“