(De-)Figurationen von Gesellschaft
Metaphern des Sozialen bei Marcel Proust
Abstract
Das geplante Projekt zu Proust stellt meinen eigenen Forschungsbeitrag zu dem übergeordneten romanistischen Forschungsprojekt „Gesellschaftstheorie als Poetik“ dar. Das Interesse dieses Gesamtprojekts gilt – wie der Projekttitel betont – nicht einem möglichen mimetischen Abbildungsverhältnis zwischen literarischen und soziologischen Gesellschaftsmodellen, zum Beispiel im Sinne einer poetischen Umsetzung oder einer narrativen Ausformulierung soziologischer Diskurse.
Vielmehr lässt sich an der spezifischen historischen Konstellation des 19. und 20. Jahrhunderts zeigen, wie Gesellschaftstheorie als Poetik, das heißt als zugleich sozialdiagnostisches und ästhetisches, narrativ sozialkonstitutives Programm emergiert: Noch bevor die frühe Gesellschaftstheorie sich disziplinär ausformt, versteht sich die französische Literatur spätestens seit Balzac als die panoramatische Darstellung einer historisch und gesellschaftlich bestimmten Natur des Menschen – das gesellschaftliche Leben (insbesondere der Großstadt) in Geschichte und Gegenwart wird zum Gegenstand des Romans und erhebt diesen zugleich zur dominanten Gattung (Auerbach, Lepenies, Warning).
Eine genaue Studie der sozialen und soziologischen Metaphorik Prousts kann zeigen, wie in der Nachfolge Balzacs der Anspruch auf eine gesellschaftsdiagnostische Funktion der Literatur aufgegeben wird zugunsten eines narrativen Nachvollzugs der Konstrukthaftigkeit von „Gesellschaft“; assoziierte Forschungsprojekte verfolgen diesen Prozess bis weit in das 20. Jahrhundert hinein.