Universität KonstanzExzellenzcluster: Kulturelle Grundlagen von Integration

Biblizistische Rhetorik

Die Stuartmonarchie unter Jakob VI./I. und Karl I. (1584- 1642) - Verkörperung oder Negation theokratischer Herrschaft?

Dr. Andreas Pečar

Abstract

Der Biblizismus im politischen Diskurs der frühen Stuartzeit in Schottland und England ist das Thema meiner Habilitationsschrift, die im Laufe des nächsten Jahres abgeschlossen werden soll. Unter Biblizismus verstehe ich eine Argumentation, die zur Formulierung politischer Aussagen, Forderungen und Ziele wesentlich auf biblische Maximen und Exempla zurückgreift und der Bibel damit die Rolle einer entscheidenden Autoritätsinstanz bei der Rede über politische Herrschaft zuweist.

Das Erkenntnisinteresse der Arbeit wird durch folgende Fragen definiert: Trug die biblische Rhetorik in den Jahren unmittelbar vor Ausbruch des Bürgerkrieges zur Entstehung und Verschärfung der für die Stuartmonarchie bedrohlichen Herrschaftskrise bei, und falls ja, auf welche Weise? Kamen die rhetorischen Bausteine des Biblizismus, d.h. die verwendeten biblischen Exempla, deren Auslegung und Aktualisierung auf politische und theologische Streitfragen der Zeit etc., die in den Anfangsjahren des Bürgerkrieges die politische Rede über Herrschaft und Monarchie wesentlich bestimmen sollten, hier erstmals zur Anwendung, oder waren sie älteren Datums? Sollte letzteres der Fall sein: in welchen Kontexten fanden diese Bausteine bereits Verwendung? Gerade der Vergleich des Biblizismus zur Zeit des ausbrechenden Bürgerkrieges mit der biblisch gehaltenen Rhetorik in den vorangehenden Jahrzehnten, d.h. zur Zeit der politisch ungefährdeten Stuartmonarchie, erlaubt Rückschlüsse auf das spezifische herrschaftskritische Potential, das dem Biblizismus in bestimmten Kontexten innewohnen konnte.

Das Arbeitsvorhaben versteht sich als ein Beitrag zur Kulturdynamik von Religion (Forschungsfeld D). Anhand des Biblizismus als politischer Sprache sowie anhand des theokratischen Arguments, das von zahlreichen unterschiedlichen Akteuren immer wieder in die politische Diskussion in der frühen Stuartzeit vorgebracht wurde, soll untersucht werden, wie die Religion als Fundament der politischen Kultur „Semantiken bereitstellt“ und damit maßgeblich auf die in den politischen Auseinandersetzungen zur Verfügung stehenden Deutungsmuster einwirkt. Die biblische Rhetorik und das daraus resultierende theokratische Normensystem sollen auf ihre politischen und gesellschaftlichen Folgen hin befragt werden, wobei die Frage nach ihrem integrativen bzw. desintegrativen Potential im Vordergrund steht. Insbesondere geht es um die Frage, inwiefern der Biblizismus als politische Sprache die Legitimierung wie auch die Delegitimierung der Königsherrschaft unter Jakob VI. / I. und Karl I. zur Folge hatte.

Der Bürgerkrieg in Schottland und England ist geradezu ein Paradebeispiel dafür, wie der Exklusivitätsanspruch bestimmter Gruppen auf Weltdeutung, der aus dem theokratischen Argument geradezu zwangsläufig resultierte, nicht nur zwischen den Konfessionen, sondern auch und gerade innerhalb einer Konfession desintegrative Folgen zeitigen konnte. Sofern der Bürgerkrieg in Schottland und in England ein Religionskrieg war, so war es ein Krieg zwischen verschiedenen Strömungen innerhalb des Protestantismus, nicht zwischen Konfessionen oder gar zwischen Religionen.