Universität KonstanzExzellenzcluster: Kulturelle Grundlagen von Integration

Bilder vom fremden Heiligen in Mittelalter und Früher Neuzeit

Prof. Dr. Klaus Krüger

Abstract

Das Vorhaben befasst sich mit dem fremden Heiligen und den unterschiedlichen Diskursen, die seine Wahrnehmung und Definition, seine Wertbesetzung und Konzeptualisierung aus abendländisch-christlicher Perspektive in der Vormoderne hervorbrachte. Die vielfältigen Manifestationsformen des Monströsen, Dämonischen und Diabolischen, aber auch und gerade des Wunderbaren, Exotischen und Magischen, unter denen das religiös Fremde dabei in Erscheinung trat, zeugen davon, dass diese Diskursivierung nicht nur in je wechselnder Polarisierung als Abgrenzung oder als Aneignung geschah, sondern dass sie zugleich als Neu-Bestimmung, Re-Lektüre und Um-Semantisierung des eigenen (christlichen) Heiligen wirksam wurde.

Vor diesem Hintergrund widmet sich das Vorhaben der Sammlung, Auswertung und fallorientierten Interpretation von Bildzeugnissen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, die über die Frage Aufschluss bieten, inwiefern das fremde Heilige in der Vormoderne in solche ästhetische Dispositive überführt wurde, die seiner Aneignung und Akkulturierung nicht nur auf inhaltlich-ikonographischer Ebene, sondern auch und gerade auf dem Wege einer formalästhetischen Auratisierung und Exotisierung dienten. Damit soll zugleich der Frage nachgegangen werden, inwiefern solche Verfahren einer genuinen Neusemantisierung durch Ästhetisierung bereits ein maßgebliches Ferment für jene Sakralisierung des Ästhetischen in sich bargen, die seit der Renaissance als eine zunehmende Divinisierung des Kunstschönen und als eine auch kunsttheoretisch institutionalisierte Reklamierung von dessen quasi-religiöser Offenbarungsleistung zutage trat.

Im Blickpunkt sollen dabei narrative oder narrativ aufgeladene Bildzyklen in Handschriften, auf Tafel- bzw. Leinwandbildern und in der monumentalen Wandmalerei stehen, die die nacherzählende Aufbereitung fremder und ferner Geschehnisse und Handlungen als deren systematische Umdeutung und Neucodierung erkennen lassen und dabei die Möglichkeit eröffnen, zwischen narratologischen bzw. ikonographischen Strategien einerseits und formalästhetischen Verfahren andererseits zu differenzieren. Dazu gehören graphische Illustrationen der Traktat-, Reise- und Erzählliteratur ebenso wie hagiographische Bildfolgen in öffentlichen oder auch privat bestimmten Kirchenräumen (z.B. Familienkapellen), die in unterschiedlichen Medien und Erzählformaten seit dem 14. Jahrhundert weit verbreiteten Thebais-Darstellungen ebenso wie jene zahlreichen Ausstattungen von Bruderschaftslokalen und Zunftresidenzen mit bildlichen Erzählzyklen, die von fernen, etwa im Orient spielenden Geschehnissen berichten. Mit der funktions- und kontextbezogenen Auffächerung dieses Materials rückt zugleich die soziale und ökonomische Bedeutung in den Blick, die der ästhetischen Aneignung des fremden Heiligen als einer Form der 'visuellen Kolonialisierung' und als einer letztlich - zumindest partiell - säkularisierenden Aneignung des fremden Heiligen zukommt.

Die systematische Recherche und Analyse des betreffenden Materials aus dieser Fragestellungsperspektive soll zugleich der Vorbereitung zu einer Ausstellung dienen, die die vormodernen Grundlagen und Maßgaben der neuzeitlichen und modernen Praktiken einer Aneignung, Anverwandlung und Integration des fremden Heiligen und damit den spezifischen Umgang mit seiner Alterität beleuchten und schärfer konturieren soll.