Universität KonstanzExzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“

Zwischen Sender- und Sendungsbewusstsein

Die Entstehung und Entwicklung der Deutschen Welle im politischen Kontext

Anke Hagedorn

Abstract

Am 3. Mai 1953 ging der deutsche Auslandssender „Deutsche Welle“ (DW) erstmals auf Sendung. Den Auftakt machte eine Ansprache des damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss, der „diesen ersten Gruß der alten Heimat, der unmittelbar durch den Äther das Ohr und die Herzen der Menschen deutscher Herkunft, Art und Sprache in aller Welt sucht, mit bewegtem Herz“ sendete. Heuss machte deutlich, worum es in erster Linie bei dem neuen deutschen Auslandsender ging, nämlich „zu entkrampfen“:

„Das muß in so aufrichtiger als taktvoller Weise geschehen. Die Deutsche Welle wird es vermeiden, die tagespolitischen Kontroversen der Heimat in die Empfindungswelt der Auslandsdeutschen zutragen, sie wird aber die Aufgabe haben, die sachlichen Schwierigkeiten anschaulich zu machen. Denn es soll keine Verzerrung der geschichtlichen Schau eintreten – deren Folge steht noch in unserem Bewußtsein.“

Dieser Auszug aus der Rede des Bundespräsidenten zeigt das Spannungsfeld, indem sich die DW von Anfang an befand: Sie musste sowohl dem ethischen Grundsatz eines unabhängigen sachlichem Journalismus genügen als auch der Forderung nach positiver Werbung für die junge Bundesrepublik nachkommen. Dieser Zwiespalt hat seine Wurzeln im besonderen historischen Kontext der Teilung Deutschlands und des Kalten Krieges.

Die Gründungsgeschichte wie auch die spätere Entwicklung des Senders reflektieren auf besondere Art und Weise die innenpolitischen Konflikte wie den außenpolitischen Kontext. So ist die Deutsche Welle zum einen das Produkt eines Machtkampfes um die Rundfunkhoheit zwischen der Bundesregierung und den Landesrundfunkanstalten, die jahrelang heftig um die Aufgabe und Struktur des Senders debattierten. Erst 1960, mit der Verabschiedung des Bundesrundfunkgesetzes (BRfG) wurde die DW gleichzeitig mit dem deutschen Langwellensender Deutschlandfunk (DLF)  zu einer eigenständigen Institution.  Der Programmauftrag der DW lautete nach §1 BRfG: „Die Sendungen sollen den Rundfunkteilnehmern im Ausland ein umfassendes Bild des politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens in Deutschland vermitteln und ihnen die deutsche Auffassung zu wichtigen Fragen darstellen und erläutern.“

Zum anderen ist die DW eindeutig ein Kind des Kalten Krieges. Sie ist in einer Phase massiver Abgrenzungsbemühungen der jungen BRD gegenüber der DDR und dem übrigen Ostblock entstanden und hat ihre Rolle dementsprechend definiert. Der Konkurrenzkampf mit anderen ausländischen Medien im Ostblock hat zu einer raschen Ausweitung des Programms, der Sendekapazität und der Sendesprachen geführt: Sendungen in Russisch, Polnisch, Tschechisch, Slowakisch, Ungarisch, Serbisch, Kroatisch wurden bereits 1962 eingeführt. 1964 sendete die DW bereits in 23 Sprachen. 1966 wurden die osteuropäischen Programme nochmals ausgeweitet. Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges waren die Sendungen der DW vor allem der russischen Führung ein Dorn im Auge. Sie ging mit Störsendern gegen die „imperialistische Propaganda“ vor.

Den Kampf an der Ätherfront hatte auch der DLF von Anfang an aufgenommen, war er doch explizit als Sprachrohr der BRD gegenüber der DDR gegründet worden. Laut Programmauftrag (§5 des BRfG ) sollte Rolle des DLF sein „Rundfunksendungen für Deutschland und das europäische Ausland zu veranstalten.“ Es war also von Anfang an klar, dass DW und DLF im europäischen Sendegebiet in Konkurrenz treten würden. Das wurde besonders deutlich, als die DW erste Vorbereitungen zur Ausstrahlung eines Osteuropaprogramms in entsprechenden Sprachen traf. Dieses gerade im Kontext des Kalten Krieges strategisch wichtige Sendegebiet beanspruchte auch der DLF für sich. So erörterte der DLF-Verwaltungsrat erstmals Anfang 1962 „die Situation in Bezug auf die Zuständigkeitsabgrenzungen zwischen dem DLF und der DW, bei der sich auf Grund der unklaren gesetzlichen Bestimmungen offenbar Überschneidungen anzubahnen scheinen.“

Über zehn Jahre lang strahlten beide Sender in der Folge Sendungen in den verschiedenen osteuropäischen Sprachen aus. Erst 1975 wurden die osteuropäischen Sendungen zwischen beiden Sendern so aufgeteilt, dass es keine Doppelungen mehr gab. Eine endgültige Lösung des Problem wurde erst nach der Wende erreicht, als die DW 1993 als nunmehr einziger Sender nach Bundesrecht die Fremdsprachen-Programme vom Deutschlandfunk (DLF) in Köln übernahm ebenso wie den ehemaligen DDR-Auslandssender Radio Berlin International (RBI) und das Fernsehprogramm von RIAS.

Die Wende brachte auch die Notwendigkeit einer inhaltlichen Neuorientierung mit sich: „Das Interesse an deutschen Informationen, Programmen, Kultur und nicht zuletzt der Sprache ist gewachsen“, stellte der damalige Intendant Dieter Weirich fest und fügte angesichts besorgter Kommentare in internationalen Medien über die Folgen der Wiedervereinigung hinzu: „Die Deutsche Welle kann das Ansehen Deutschlands in der Welt letztlich nicht bessern. Das wäre ein Missverständnis und eine Selbstüberschätzung unseres Auftrags zugleich. Aber wir können umfassender, differenzierter und vielleicht auch analytisch besser als andere von der Quelle her berichten. Dabei ist es ein Vorteil, dass in unserem multikulturell geprägten Haus – ein großer Teil der Mitarbeiter sind Ausländer – Deutschland mit unterschiedlichen Augen gesehen wird.“ 

In der Folge der Wende und der damit einhergehenden Neuordnung der Medienlandschaft in Deutschland wurde auch die Forderung nach einer neuen gesetzlichen Verortung der DW laut. 1997 wurde nach kontroversen Debatten besonders zu Fragen des Programmauftrags und der Regierungsnähe bzw. -ferne der DW das „Gesetz über die Rundfunkanstalt des Bundesrechts Deutsche Welle (DWG) verabschiedet. Danach lautet der Auftrag der Deutschen Welle: „Die Sendungen der Deutschen Welle sollen den Rundfunkteilnehmern im Ausland ein umfassendes Bild des politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens in Deutschland vermitteln und ihnen die deutschen Auffassungen zu wichtigen Fragen darstellen und erläutern.“ Die Frage nach der Unabhängigkeit der DW wurde aber auch mit diesem neuen Gesetzestext nicht abschließend geklärt. So heißt es darin: „Die Sendungen müssen eine unabhängige Meinungsbildung ermöglichen und dürfen nicht einseitig eine Partei oder sonstige politische Vereinigung unterstützen„  Andererseits wird aber auch hervorgehoben, die Berichterstattung müsse „in dem Bewusstsein erfolgen, dass die Sendungen der Deutschen Welle die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu auswärtigen Staaten berühren.“

Bis 1998 war die DW dem Bundesministerium des Innern zugeordnet. Mit der Einrichtung des Staatsministeriums für Kultur ist die Zuständigkeit für die DW auf dieses Ressort übergegangen.

2005 wurde das DW-Gesetz novelliert. Darin heißt es nun zum Programmauftrag des Senders: „Deutschland als europäisch gewachsene Kulturnation und freiheitlich verfassten demokratischen Rechtsstaat verständlich zu machen“. Dabei soll die Deutsche Welle „deutschen und anderen Sichtweisen zu wesentlichen Themen sowohl in Europa wie in anderen Kontinenten ein Forum geben mit dem Ziel, das Verständnis und den Austausch der Kulturen und Völker zu fördern“. Finanziell ist die DW auch nach dem neuesten DWG vollständig von der Bundesregierung anhängig: Ihr Budget stammt nach wie vor ausschließlich aus dem Haushalt des Bundes, mittlerweile des Staatsministeriums für Kultur.

Ziel der Dissertation ist es, die verschiedenen Zusammenhänge zwischen Senderprofil und politischen Kontexten von den Anfängen bis heute zu beleuchten und damit einen Baustein zur diachronen Mediengeschichte der Bundesrepublik zu leisten. Dabei sollen die Veränderungen von Senderstruktur und Programm nicht linear nachgezeichnet, sondern exemplarisch an historischen Scharnierstellen analysiert werden: So werden die komplexe Gründungsgeschichte, das Verhältnis der DW zur DDR und ihre Neuorientierung nach der Wendezeit in den Fokus der Untersuchung gerückt. Eine wichtige Rolle spielt immer wieder die Abgrenzung zum deutschen Langwellensender Deutschlandfunk (DLF). Auf diese Weise soll präziser bestimmt werden, wie und auf welchen Ebenen sich Politik im deutschen Auslandsrundfunk zur Geltung brachte. Im Hintergrund steht dabei die Frage nach der Unabhängigkeit der DW, der immer wieder vorgeworfen wurde und wird, ein verlängerter Arm der Bundesregierung zu sein.

Publikationen

Cover

Anke Hagedorn: Die Deutsche Welle und die Politik. Der deutsche Auslandsrundfunk 1953 bis 2013. Konstanz: UVK, 2016.

Anke Hagedorn, Uwe Breitenborn, Gerlinde Frey-Vor und Christian Schurig (Hrsg.): Zwischen Sender- und Sendungsbewußtsein. zur Außen- und Selbstwahrnehmung der deutschen Welle im Kalten Krieg: Medienumbrüche im Rundfunk seit 1950. Köln: von Halem, 2013.