Universität KonstanzExzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“

Die Entstehung von Ludwik Flecks Wissenschaftstheorie in der Wissenskultur der ‚Lemberger Moderne‘

Studien zu Prozessen der Formation und Transformation von Wissen im Zusammenspiel von Kunst und Wissenschaft

Dr. Sylwia Werner

Abstract

Die Formierung der ästhetischen und wissenschaftlichen Moderne ist untrennbar mit den Wissenskulturen westlicher Metropolen wie Wien, Berlin oder Paris verknüpft. Doch es gab auch in Osteuropa viele kulturelle Zentren, die entscheidenden Anteil an der Ausprägung neuer Konzeptionen in Wissenschaft und Kunst hatten. Mein Forschungsprojekt möchte exemplarisch zeigen, wie in der scheinbar abseits liegenden Stadt Lemberg während der Zwischenkriegszeit zahlreiche bahnbrechende epistemologische und ästhetische Konzeptionen entstanden, die eine durch alle wissenschaftlichen Disziplinen und kulturelle Gebiete gehende „Moderne“ mit großer Strahlkraft begründeten. Aufgrund der damaligen engen Verschränkung von Wissenschaften und Künsten erscheint es legitim, analog zur Wiener und Berliner Moderne auch von einer „Lemberger Moderne“ zu sprechen.

Im Zentrum dieses erstaunlichen Prozesses stand der Mediziner Ludwik Fleck (1896-1961). Sein Hauptwerk Die Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache (1935) zeigt die soziale Bedingtheit von Wissenschaft sowie deren Abhängigkeit von kulturellen und künstlerischen Vorstellungen, Konzepten, Wahrnehmungsweisen und Stilen. Mit seiner relativistischen Wissenschaftstheorie liefert Fleck das adäquate methodische Rüstzeug, um die Wandlungen von Denkstilen und Ideen im Denkverkehr von Kollektiven in lokalen Wissenskulturen zu untersuchen. Flecks Methode lässt sich jedoch auch paradigmatisch auf ihn selbst und sein sozio-kulturelles Umfeld anwenden. So können die unterschiedlichen Weisen, wie Künstler und Forscher in Lemberg an gemeinsamen Denk- und Schreibweisen partizipierten, rekonstruiert werden. Exemplarisch gilt es dann vorzuführen, wie und mit welchen methodologischen Folgen Austauschprozesse zwischen Kunst und Wissenschaft vonstattengehen.
Die Forschungen zu diesem Thema sollen in eine Monographie münden.