Die Unordnung des Gebets
Zur Präsenz einer religiösen Gattung in der literarischen Postmoderne
Abstract
Das Projekt verfolgt das Ziel, die Korrelation zwischen Literatur und Religion in der literarischen (post-)säkularen Moderne auszuloten im Hinblick auf Dynamiken der Ablösung, Zerlegung und Adaption religiöser, christlicher Ordnung. Den Fokus dieses übergreifenden Frageinteresses bilden die Formen adversativer Referenz auf die Gattung ‚Gebet‘ unter Berücksichtigung der damit verbundenen theologie- und kirchenkritischen Potentiale.
Im Mittelpunkt der Fallbeispielanalyse stehen die textimmanenten und diskursiven Bezüge Thomas Bernhards auf die christliche Anbetungsrhetorik. Konjunkturelle Fragen wie konfessionelle Spezifik, geschichtliche Erfahrung und poetologische Praxis werden ebenfalls in die Argumentation einbezogen. Aufgrund diskursiver Wahlverwandtschaften wird die Reflexion über das Gebet bei Ludwig Wittgenstein und Jacques Derrida als Kontextualisierungs- und Ausdifferenzierungsangebote mit einem besonderen Augenmerk auf dem Themenkomplex „Wahrheit und Fälschung“ an Thomas Bernhard herangetragen.
Die theologieferne Lesart setzt eine methodologische Trias voraus:
- die komparative Perspektivierung religionskanonischer versus poetologischer Konventionen,
- die Analyse textinterner und textexterner Bezüge sowie
- die Konzeptualisierung unscharfer Sinnzusammenhänge mit einem interdisziplinären Rückgriff auf Religionssoziologie und Sprechakttheorie.