Universität KonstanzExzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“

Gute Hirten führen sanft

Analysen zeitgenössischer Menschenregierungskünste

Prof. Dr. Ulrich Bröckling

Abstract

Die geplante Aufsatzsammlung führt gegenwartsdiagnostische Fallstudien zusammen, die Bausteine zu einer Beschreibung zeitgenössischer Gesellschaften im Hinblick auf die Mechanismen ihrer (Selbst-)Regulation liefern.

In ihrer machtanalytischen Perspektivierung anknüpfend an Foucaults Vorlesungen zur „Geschichte der Gouvernementalität“ untersuchen die Beiträge exemplarische Modi heutigen Regierens und Sich-selbst-Regierens: übergreifende Handlungsorientierungen wie Prävention und Resilienz, in unterschiedlichen gesellschaftlichen Feldern verbreitete Verfahren wie Mediation, kommunikative Basistechnologien wie das Feedback, pädagogische Programme wie die „Familien-„ bzw. „Lehrer-Schüler-Konferenz“ oder Strategien der Choice Architecture, wie sie seit einigen Jahren unter dem Label des „Nudging“ propagiert werden.

Sie alle transformieren alltägliche Praktiken und Kommunikationsformen, etwa der Vorsorge für die Zukunft, des Schlichtens von Konflikten, der Verständigung und Evaluation oder der Verhaltenslenkung durch Anreizsysteme, in methodisch angeleitete, von eigens dafür ausgebildeten Experten betriebene, systematisch beforschte und institutionell abgestützte Sozial- und Selbsttechnologien. Auf als dysfunktional erfahrene Störungen und Krisen sozialer Integration reagieren sie durch die Stärkung von Selbststeuerungspotenzialen.

Das Augenmerk richtet sich – der Titel deutet es an – vor allem auf „sanfte“ Selbst- und Sozialtechnologien, die über freiwillige Mitwirkung, den zwanglosen Zwang des besseren Arguments und Anreizstrukturen operieren. Anders als repressive Strategien und Programme, deren Untersuchung eine lange Tradition etwa im Rahmen der Soziologie sozialer Kontrolle oder der Surveillance Studies besitzt, haben partizipative und konsensorientierte Integrationsregime bislang deutlich weniger Aufmerksamkeit erfahren und sind insbesondere kaum im Hinblick auf die in ihnen wirksamen Machtmechanismen untersucht worden.