Universität KonstanzExzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“

Alles so „fantastic, awesome, amazing“

Christoph Bartmann
Foto: Harald Schröder

Im letzten Vortrag der Reihe „Bürokraten“ kritisiert der Germanist Christoph Bartmann, dass sich die ehemals sachliche Bürokratie in den letzten Jahrzehnten in ein emotional und religiös aufgeladenes Management verwandelt habe. Die permanenten Optimierungsprozesse in dessen Zentrum behinderten letztlich das Arbeiten.

Von Katharina Brenner

Christoph Bartmann: Gott und Gold. Die religiösen Ursprünge der neuen Bürokratie, 54:06 min. Vortrag vom 18. Juni 2014

Bürokratie, jetzt in neuer Gestalt

„Das Verwaltungshandeln steht seit Jahrzehnten in der Kritik. Zur Abhilfe sind vor etwa 25 Jahren neue Verwaltungslehren ersonnen und durchgesetzt worden, die unter dem Namen New Public Management firmieren“, sagt Bartmann. Daraus habe sich eine „neue Bürokratie“ entwickelt, nämlich eine, bei der „unter Aufbietung eines ganzen Arsenals von bürokratiekritischen Ansätzen – Kundenorientierung, unternehmerisches Handeln, Change Management, Audits, Berichtspflichten, Storytelling usw. – die Bürokratie zwar eine neue Gestalt annimmt, aber insgesamt zunimmt.“ Dabei klaffe die Schere zwischen Primär- und Sekundärarbeit weiter auseinander als früher. Mit Sekundärarbeit bezeichnet Bartmann die Anteile der Arbeitszeit, die wir etwa mit Change Workshops, Teambildungstreffen und Nachhaltedialogen verbringen.

„Wenn wir Bürokratie als das beschreiben, was uns am Arbeitsplatz am Arbeiten hindert, was uns das starke Gefühl von Ineffizienz vermittelt, dann sind es solche Sekundärakte der neuen Bürokratie.“

Doch auch das New Public Management wird längst wieder kritisiert, weshalb sich in der neueren verwaltungswissenschaftlichen Literatur das Lob der alten Bürokratie zurückmelde, „ohne damit freilich ihre Degeneration und Versteinerung mit zu loben“.

Als historische Zäsur nennt Bartmann das Jahr 1990, als MS Office auf den Markt kam und einen radikalen Wandel in der Arbeitswelt einläutete. Das Computerprogramm revolutionierte durch die Auslagerung in Bildschirmoberflächen die Gestalt des Büros. Doch schon seit den 1950er Jahren hatte es im angloamerikanischen Raum Veränderungen im Wesen der Bürokratie gegeben. 1954 legte der emigrierte österreichische Ökonom Peter Drucker mit seinem Buch „The Practice of Management“ den Grundstein für die neue Bürokratie. Wesentliche politische Reformen folgten in den 1980er Jahren unter Margret Thatcher und Ronald Reagan. Unter dem Namen New Public Management hielten nun vermehrt Elemente aus dem privatwirtschaftlichen Management Einzug in die öffentlichen Verwaltungen auch diesseits des Atlantiks.

Die religiöse Prägung des New Public Management

Bartmann sieht im New Public Management vor allem die religiösen Ursprünge der neuen Bürokratie hervortreten. Im Unterschied zur früheren, sachlichen Bürokratie sei das heutige Management emotional aufgeladen. Die Rhetorik des Managements sei dabei stark religiös und evangelikal geprägt, was Bartmann auf die amerikanische Kultur zurückführt.

„Acht von zehn US-Amerikanern glauben an Engel und ihr Wirken im Alltag, wie eine Umfrage aus dem Jahr 2011 ergeben hat. Terry Eagleton konstatiert in seinem sehr amüsanten Buch ‚Across the Pond. An Englishman‘s View of America‘ bei den Amerikanern eine angelische Sprache, sogar einen angelischen Diskurs.“

Alles in Amerika sei „great, fantastic, awesome, amazing“, schreibt Eagleton in seinem Buch. Während die alte Bürokratie wertneutral gewesen sei, laute das Credo des aktuellen Managements: „Das Gute ist in der Welt. Du musst es nur mit Wissen besser und am besten machen“, so Bartmann. Der Protestantismus amerikanischer Ausprägung sei eine dynamische Religion und passe deshalb sehr gut zum neuen Typ des Managers, der den alten Bürokraten verdrängt habe. Er sei dynamisch, motiviert, ein Selbstoptimierer. Bartmann betrachtet die Entwicklungen des neuen Managements äußerst kritisch. „Wer glaubt, die Antwort auf zu viel Bürokratie sei ernstlich mehr Management, sollte sich zu diesem Glauben bekennen. Für alle Nichtgläubigen ist Skepsis angebracht.“

Dr. Christoph Bartmann leitet seit 2011 das Goethe-Institut in New York. 2012 veröffentlichte er das Buch „Leben im Büro. Die schöne Welt der Angestellten“ im Hanser-Verlag. Bartmann schreibt regelmäßig vor allem als Rezensent für die Süddeutsche Zeitung u.a.

Der hier dokumentierte Vortrag beendete das Begleitprogramm zur Foto-Ausstellung „Bureaucratics. In Ämtern und Würden“. Die Mitschnitte aller weiteren Vorträge der Reihe finden Sie auf der Übersichtsseite.