Universität KonstanzExzellenzcluster: Kulturelle Grundlagen von Integration

Kulturelle Poetologie des Auftretens

Prof. Dr. Christopher Wild

Abstract

Das von Juliane Vogel und mir unternommene Forschungsvorhaben versteht den Vers aus Shakespeare’s As you like it, „They have their exits and their entrances“ als strenge formale Anweisung. Es macht sich zur Aufgabe, den Vorgang des Auf- und Abtretens als darstellungstechnischen Grundgestus des europäischen Theaters zu beschreiben.

Zielsetzung ist es dabei, die konsistente symbolische Struktur, die in Shakespeares Vers zur Sprache kommt, in ihren kulturhistorischen Transformationen und kulturtheoretischen Implikationen zu erkunden. Auftritte stellen demnach nicht nur eine theatermechanische Notwendigkeit dar, sie geben in grundsätzlicher und hinausweisender Weise Formen und Formate vor, die das Hervortreten, Sichtbarwerden und öffentliche Sprechen regeln. Auch außerhalb des Theaters dienen sie dazu, soziale Situationen zu kodieren, zu formalisieren und zu finalisieren, genauso wie ihr Fehlen bzw. ihre Lockerung auf Veränderungen hindeutet.

Zugleich lässt sich der Auftritt als elementares kulturelles Ordnungsmuster identifizieren, das Kommen und Gehen, Anwesenheit und Abwesenheit, Inklusion und Exklusion auf der Bühne und in der Gesellschaft regelt. Auftrittssituationen können als Grenzüberschreitungen beschrieben werden und informieren über die Verkehrsformen zwischen On und Off.

Das Projekt geht dabei in diachronen wie auch in synchronen Schnitten vor. Gegenstand der Untersuchung sind nicht nur die verschiedenen europäischen Theaterkulturen, sondern auch die verschiedenen theatralischen Gattungen (Tragödie, Komödie, Trauerspiel u.a.) und Medien (Sprechtheater, Oper, Videoperformance u.a.), die jeweils unterschiedliche Auf- und Abtrittsordnungen vorweisen.