Zentrum und Peripherie, Eigenes und Fremdes im „Prager“ publizistischen Diskurs der Zehner und Zwanziger Jahre
Teilprojekt des Forschungsverbundes „Prag als Knotenpunkt europäischer Modernen“
Abstract
Mit dem Zusammenbruch der Habsburger Monarchie und der Gründung des tschechoslowakischen Staates wird Prag, symbolischer Ort in den nationalen und individuellen Identitätsdiskursen der tschechischen Literatur des 19. Jahrhunderts, zur Hauptstadt eines modernen, demokratischen Nationalstaates. Die deutschsprachige Bevölkerung des jungen Staats, seit der Schlacht am Weißen Berg politische und kulturelle Vorherrschaft gewöhnt, rückt vom Zentrum an die Peripherie des neuen Staatskonstrukts. Dieser Prozess bringt eine Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigem und die Ausdifferenzierung intellektueller Positionen und persönlicher wie kollektiver Identitätsdiskurse mit sich.
Wie schlägt sich der neue Wertekanon, der sich aus den Mythologemen der slawisch-tschechischen Wiedergeburt speist und zum Gründungsmythos der ersten tschechoslowakischen Republik wird, in den publizistischen Texten von Autoren wie Richard Weiner, Egon Erwin Kisch, Milena Jesenská u.a. nieder? Wie formuliert sich vor diesem Hintergrund persönliche und kollektive, nationale und individuelle, deutsche, tschechische, jüdische – Prager Identität (neu)? Welche Rolle spielen bei dieser (Neu)Definition Kategorien wie „eigen“ und „fremd“ bzw. „zentral“ und „peripher“, und (in welcher Form) lassen sie sich in den ausgewählten Texten und Diskursen nachweisen? Eine komparatistische Betrachtung tschechisch- und deutschsprachiger Texte entlang dieser Analysekategorien könnte geeignet sein, neue Aspekte der (trans)kulturellen Verfasstheit der Prager Moderne zu erweisen.