Die Kulturdynamik von Religion
Religion ist ein universales Phänomen, das in besonderer Wechselwirkung zu Kultur steht: Einerseits baut ihre konkrete institutionelle Ausformung jeweils auf kulturellen Voraussetzungen auf; andererseits trägt Religion als einflussreicher Sinngenerator selbst maßgeblich dazu bei, Stabilität und Flexibilität sozialer Ordnungszusammenhänge zu gewährleisten.
In diesem Forschungsfeld arbeiten Ägyptologen, Historiker, Literaturwissenschaftler und Soziologen zusammen, um in einem breiten historischen Spektrum von den antiken Hochkulturen bis zur Gegenwart die Bedeutung von Religion in Prozessen von Integration und Desintegration zu untersuchen.
Die kulturelle Dimension von Integration und Desintegration ist ohne das Religiöse unvorstellbar. In mehrfacher Hinsicht wirkt es auf soziale Ordnungsbildung ein. Aus ihrer eigenen Institutionalisierung heraus hat Religion in allen historisch bekannten Gesellschaftsformationen einen evolutionären Beitrag zur institutionellen Ausprägung gesellschaftlicher Strukturbildung geleistet.
Auf diese Weise formt sie die institutionellen und materiellen Bedingungen, unter denen Gesellschaften die kulturellen Ressourcen von Integration und Desintegration hervorbringen, maßgeblich mit. In ihrer systemischen Verfestigung ist sie dabei ihrerseits auf kulturelle Ressourcen angewiesen.
Darüber hinaus nimmt Religion als institutionalisierte und oft auch organisierte Weltdeutung und Selbstbeobachtung in den meisten Gesellschaften entscheidenden Einfluss auf das, was Kultur inhaltlich überhaupt sein kann.
Durkheim hat Religion aus diesem Grund generell mit der Gesellschaftlichkeit des Menschen gleichgesetzt. Nicht erst durch die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit zeigt sich Religion allerdings gleichzeitig als eine Quelle der Gewalt, der fundamentalistischen Entdifferenzierung von Sinnmustern und als Triebfeder gesellschaftlicher und staatlicher Konflikte.