Universität KonstanzExzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“

Gattung und Globalisierung

Hybridisierung von Gattungen in (post-)kolonialen Kontexten

Dr. Miriam Lay Brander

Teilprojekte

Schreiben in Archipelen. Aphorismus und Sprichwort in (post-)kolonialen Kontexten französischer, spanischer und portugiesischer Sprache
Habilitationsprojekt, Dr. Miriam Lay Brander
Abstract

Eine Gattung auf der Schwelle: Die französischsprachige Novelle im post-kolonialen Kontext Promotionsprojekt, Alessandro Rossi

Abstract

Das Gattungssystem ist eines der Regulative kultureller (Des-)Integration, das in der gegenwärtigen Phase einer sich zunehmend beschleunigenden kulturellen Globalisierung beträchtliche Transformationen erfährt. Die für diese Phase grundlegenden kulturellen Austauschprozesse setzen Dynamiken der transkulturellen Verflechtung in Gang, die klare Grenzziehungen zwischen Gattungen unmöglich machen und so eurozentrische Gattungsbegriffe in Frage stellen. Mit „Globalisierung“ ist somit nicht lediglich ein literarischer Internationalismus gemeint, d.h. eine gegenseitige Beeinflussung und Vermischung von Gattungen, wie es sie schon immer, wenn auch in geringerer Intensität, gegeben hat (Steinmetz 2000).
Gemeint ist vielmehr eine Dynamik der transkulturellen Fragmentarisierung und Kreolisierung, in der Gattungen keinen fest lokalisierbaren Ort mehr haben, sondern sich als hybride Gebilde neu erfinden.

Vor diesem Hintergrund untersucht das Projekt, wie Gattungsmuster in (post-)kolonialen Kontexten französischer, spanischer und portugiesischer Sprache kreativ-subversiv angeeignet, umkodiert und transformiert werden. Dies geschieht im Wesentlichen über Transferprozesse, bei denen eine Kultur in der Konfrontation zwischen traditionellen und modernen Gattungen nicht nur Elemente der anderen Kultur, sondern auch noch archaischere Bestandteile ihrer eigenen selektiert. Von besonderem Interesse ist daher die Verschmelzung mündlicher und schriftlicher Gattungen, wie sie sich vor allem in kreolischen Kontexten beobachten lässt.

Eine verbreitete Strategie des Gattungstransfers ist hier die Wiedereinschreibung marginalisierter mündlicher Gattungen wie Volksmärchen, Legende, Sprichwort, Lehrsatz, Rätsel, Volkslied etc. Diese verbinden sich mit genuin schriftlichen Gattungen wie Aphorismus, Kurzgeschichte und Roman zu Formen der so genannten oraliture (Bernabé 1997) und damit zu neuen Gebilden, die sich im herkömmlichen, rein auf schriftliche Texte ausgerichteten Gattungssystem nicht mehr verorten lassen.

Die Frage nach der Bedeutung von Gattungen in (post-)kolonialen Kontexten wird nicht als eine rein ästhetische betrachtet, sondern ist eng mit der Debatte um transkulturelle Identitäten verknüpft. Indem das Projekt das dynamische Zusammenspiel von partiellen Gattungszugehörigkeiten auslotet, möchte es aufzeigen, wie der Begriff der (literarischen) Gattung jenseits von westlichen Klassifizierungsbemühungen und Essentialismen gedacht werden kann. Anhand der mikroanalytischen Untersuchung von gattungsbezogenen Transferprozessen kann so das kreative Potential einer Spannung deutlich gemacht werden, die durch – teilweise auf einen erzwungenen Kulturkontakt zurückgehende – transkulturelle Verflechtungen entsteht.

Video

Hans-Jürgen Lüsebrink

Gattungstransfer und Gattungstransformationen im Kontext der Globalisierung(en) – vom kolonialen zum postkolonialen Zeitalter

Der Romanist Hans-Jürgen Lüsebrink (Saarbrücken) eröffnete am 27. Juni 2014 mit seinem Vortrag das Forschungsprojekt „Gattung und Globalisierung“ von Dr. Miriam Lay Brander. Zum Mitschnitt