Souveränitätsregime und Grenzziehungen im Fokus
Bericht vom Klausurwochenende zum Auftakt des Doktorandenkollegs „Europa in der globalisierten Welt“
Von Ferdinand Kiesel
Sie gingen auch der Frage nach, wie und warum das Konzept Europa für Geschichte und Gesellschaft weltweit prägend war (und ist) und welche Strukturen dafür ausschlaggebend sind.
Die meisten Forschungsvorhaben erschienen dabei als Grenzprojekte: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen, wie Europa sich durch Beziehungen und Verflechtungen zu seinem Außen und Gegenüber selbst konstruiert. Dabei verschieben sie die Perspektive an Europas geografische Außengrenzen und weit darüber hinaus.
Thematische Schwerpunkte
In der Diskussion kristallisierten sich die Themen Souveränität und Identität/Ethnizität/Grenzziehung als besonders relevant heraus:
- So stellen Wolfgang Egner, Katharina Meyer und Francesco Carloni grundsätzliche Fragen nach staatlicher Herrschaft und Kontrolle, insbesondere nach dem Subjekt völkerrechtlicher Selbstbestimmung.
Sie interessieren sich für eine (Neu-)Verortung des Begriffs der Souveränität angesichts eines Zeitalters globaler Verflechtungen und Prozesse, in dem sich starre theoretische Postulate oft als zu unflexibel erweisen. Eine besondere Rolle spielen dabei juristische und wirtschaftliche Grenzziehungen, die sich in bestimmten Formen des Konflikts und der Ausübung (staatlicher) Gewalt äußern. - An diesem Punkt setzt auch die Arbeit von Estela Schindel an, die sich mit Praktiken der Ab- und Ausgrenzung an den Rändern Europas beschäftigt. Sie erforscht damit eine direkte Verbindung zwischen hoheitlicher Gewalt und verschiedenen Identifikationspraktiken.
- Tilmann Heil, Sarah Schwab, Ole Münch, Melanie Brand und Ferdinand Kiesel untersuchen, wie sich kulturelle Grenzziehungen im Alltag manifestieren. Welche öffentlichen Räume werden zu Schauplätzen (versteckter) Praktiken der Unterscheidung zwischen dem Eigenen und dem Fremden/Anderen?
Verbunden sind die einzelnen Forschungsprojekte durch ein grundsätzliches Interesse an kollektiven Imaginationen sowie an Fragen der Selbst- und Fremdwahrnehmung. Solche kollektiven Vorstellungen stehen deshalb im Mittelpunkt, weil sie sowohl für das Thema Souveränität, als auch für das Thema Identität sinnstiftend sind.
Alle Beteiligten bedienen sich in ihrer Forschung vergleichender Methoden und verknüpfen historische Analysen mit aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen. Diese Gemeinsamkeit verbindet sie über Disziplinengrenzen hinweg – erst durch sie kann im Doktorandenkolleg ein Bild entstehen, das Aufschlüsse über die Rolle „Europa(s) in der globalisierten Welt“ geben wird.jkr