Universität KonstanzExzellenzcluster: Kulturelle Grundlagen von Integration

Idiome der Gesellschaftsanalyse

Laufzeit 2007–2012

Die interdisziplinäre Forschungsgruppe hat vier Promotions- und zwei Postdoc-Projekte aus Soziologie, Literatur- und Politikwissenschaft gefördert. Untersucht wurden die verschiedenen Modi der Analyse des Gesellschaftlichen, wie sie in den unterschiedlichen Disziplinen, aber ebenso in nichtwissenschaftlichen Kontexten wie Journalistik, fiktionalen Theorien oder Medienprodukten formuliert werden.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Leitung

Prof. Dr. Andreas Langenohl (2007–2010)
Dr. Doris Schweitzer (2010–2012)

Promovierende und Postdocs

Konstanze Baron
Existenzialismus und Gesellschaft

Nicole Falkenhayner
Making the British Muslim. Representations of the Rushdie Affair and Figurations of the War on Terror Decade

Andreas Langenohl
Arbeit am Fall: Eine vergleichende Soziologie der Wissensgesellschaft
Die Doppelkarriere eines Konzepts: „Reflexivität“ als Zeitdiagnose und als Forschungsstrategie im sozialwissenschaftlichen Diskurs

Michael Nau
Comparative Aesthetics and Indonesian Islamic Critiques of Modernity Amongst the Ruins of Area Studies

Johannes Scheu
Pauperismus und Exklusion. Theoretisierungsversuche extremer Armut in der frühen und neueren Soziologie

Doris Schweitzer
Die Gesellschaft im Recht. Juridische Soziologien im 19. Jahrhundert

Kacper Szulecki
The Figure of the Dissident. The emergence of Central European dissidentism and its impact on the transnational debates in late-Cold War era

Die Forschungsfrage richtete sich darauf, idiomatische Strukturen der Wissensgenerierung in den Blick zu nehmen. Hierfür wurde durch den Idiome-Begriff der Einsatzpunkt der Gesellschaftsanalyse unterhalb der Schwelle ausgearbeiteter geistes- und sozialwissenschaftlicher Methodologien markiert, um dadurch stillschweigende Vorverständigungen der Wissensbildung analytisch zugänglich zu machen.

Arbeitsformen

Seit 2008 hat die Gruppe in regelmäßigen Arbeitstreffen das Forschungsthema diskutiert und in seinen Verschiedenen inhaltlichen wie methodischen Implikationen konkretisiert. Einen wichtigen Baustein der Forschung stellte die öffentliche Präsentation und Diskussion der Ergebnisse im Rahmen von gemeinsamen Konferenzauftritten dar:

  • Gruppenpräsentation „Uses of the Idiom“, Exzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“ Konstanz, Juni 2008
  • German Studies Association, Minneapolis, Oktober 2008
  • Modern Language Association, San Francisco, Dezember 2008
  • Konferenz „Glocal imaginaries“, Lancaster, Mai 2009
  • American Comparative Literature Association, New Orleans, April 2010
  • Präsentation „Kulturelle Übersetzung“ (zusammen mit Dr. des. Özkan Ezli), Clustertagung Juli 2010

Gleichzeitig dienten die Arbeitstreffen als Forum für die Mitglieder, die Fortschritte ihrer Dissertationen wie Forschungsvorhaben zu präsentieren und zu diskutieren. Hierüber wurde eine Einbindung der verschiedenen Projekte in die allgemeine thematische Agenda gewährleistet – und vice versa.

Zu den jeweiligen thematischen Schwerpunkten führte die Forschungsgruppe eine Reihe von Veranstaltungen durch:

  • Workshop „After Identity?“ (Oktober 2008)
  • Gemeinsame Veranstaltung der Nachwuchsforschungsgruppen  “1989 – und weiter?” (Juli 2009)
  • Konferenz „Gesellschaft übersetzen: Eine Kommentatorenkonferenz“  (Oktober 2009), finanziert durch die VolkswagenStiftung
  • Forschungsworkshop „Idiome der Gesellschaftsanalyse“ (April 2010)
  • Open Lecture Dr. Jarosław Kuisz (Warsaw University) „Playing the Law“ (Februar 2011)
  • Authors meet critics „Kultur und Übersetzung: Yoko Tawada und Naoki Sakai“ (Juni 2011)
  • Workshop „Idioms of Stability and De-Stabilization“ (März 2012)

Als gemeinsames Ergebnis bereitet die Gruppe die Herausgabe eines Special Issues zum Thema „Idioms of Stability and De-Stabilization“ vor.

Über das Thema

Die Nachwuchsforschungsgruppe untersuchte idiomatische Strukturen der Wissensgenerierung, die auf der Ebene der Gesellschaftsanalyse selbstverständliche, nicht artikulierte Vorverständigungen offen legen.

Für diese Fragestellung ließen sich jenseits einer heuristischen wie methodologische Vereindeutigung vier Einsatzpunkte bzw. Bedeutungskomponenten des Idiome-Begriffs herauskristallisieren:

  • die Arretierung der Reflexionsbewegung als Vorbedingung der Kristallisierung analytischer Verfahren;
  • die Bedeutung des „Einsteigens“ (der „Geste“) analytischer Verfahren in ihren Gegenstandsbereich als Moment der Erkenntnisbahnung vor jeder inhaltlichen Analyse und vor jeder Methode;
  • die epistemisch produktive Wirkung des „Vergessens“ von Aspekten des Herkunftkontexts analytischer Konzepte, so wie bei sprachlichen Idiomen i.S.v. Phraseologien die literale Bedeutung abschattiert werden muss, um die übertragene Bedeutung zu manifestieren;
  • Modi von Kontinuitäten zwischen Analysegegenstand und analytischem Verfahren (insbesondere Kontiguität, Nachahmung und Performativität); diesen Punkt wurde in der Gruppe unter dem Aspekt der „Lokalisierung“ analytischer Idiome diskutiert.

Der „ideengenerative“ und vernetzende Beitrag des Begriffs Idiom bestand angesichts dieser Mehrdimensionalität darin, vorhandene epistemologische Verfahren (etwa Wissenssoziologie, Diskursanalyse, Narratologie etc.), wie sie in den unterschiedlichen Forschungsvorhaben referenziert (nicht einfach umgesetzt) wurden, je spezifisch abzuwandeln, indem auf die jeweilige Relationiertheit der Analyse zum Punkt ihres Einsetzens aufmerksam gemacht wurde.

Hierdurch konnte eine doppelte Perspektivierung im Hinblick auf den Forschungsgegenstand ‚Gesellschaftsanalyse‘ eingenommen werden:

Erstens befasste sich die Nachwuchsgruppe mit den historischen, sozialen und kulturellen Prozessen, die die Rahmenbedingungen für Gesellschaftsanalysen abgeben, denn letztere sind immer Teil „ihrer“ Gesellschaft – sie sind idiomatisch, weil sie mit Vorverständnissen operieren, die selten thematisiert und problematisiert werden.

Zweitens ging es der Forschungsgruppe um die Art und Weise, wie Gesellschaftsanalysen zur symbolischen Konstitution und Konstruktion ihres Gegenstands beitragen: Gerade weil Gesellschaftsanalysen idiomatisch in den Gegenstand ihrer Untersuchung eingelassen sind, reproduzieren und modifizieren sie die Deutungsmuster, mittels derer sich Gesellschaftsmitglieder „ihre“ Gesellschaft vorzustellen und sich in ihr zu orientieren pflegen.

Einblicke

Lesung „Kultur und Übersetzung“ mit Yoko Tawada und Naoki Sakai (Juni 2011) online ansehen/anhören